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Luca Frei, Marine Hugonnier und Sean Snyder. Drei Interventionen
Ausstellungsdauer / Duration of the exhibition 20. Juni bis 06. September 2008 / June 20 until September 6, 2008
(for english version please scroll down)
Luca Frei
Luca Frei‘s Collagen, Texte und Installationen scheinen beständig auf der Suche nach neuen Blickwinkeln und Möglichkeiten dafür, wie zeitgenössische Kunst ihr veränderndes Potenzial in die Formation gesellschaftlicher Wirklichkeit einbringen kann. Zugleich spiegeln seine Methoden dabei ein kritisches Verhältnis gegenüber jeder Art von totalisierender Vision.
Autoritären und autorschaftlichen Gesten setzt er teils fiktive, teils reale Situationen entgegen, in denen die Betrachter aufgefordert werden, sich aktiv an der Erstellung von Ideen und Handlungszusammenhängen zu beteiligen. In solchen Konstellationen spielt Frei wiederholt mit Ideen und Mustern der Reformpädagogik, neuen Methoden des Lernens und des assoziativen Denkens, ohne aber deren partizipatorischen Angebote als einfach wiederholbar anzunehmen. Fragen von Beteiligung und Ermächtigung stellen sich in seiner Arbeit immer als potenzielle Kategorien, für die aus heutiger Perspektive nach neuen Funktionsweisen und Zugängen gesucht werden muss.
Viele seiner künstlerischen Interventionen richten sich auf den Vorgang der Übersetzung von Texten. Dabei geht es ihm nicht um sprachlich einwandfreie Resultate, sondern um die aktive Verbindung des Lesers mit historischen Dokumenten des utopischen Denkens (vgl. grazerkunstverein.org: Menü „Archiv“ /2006 /Luca Frei). Für den Grazer Kunstverein wird eine neue, in Bezug auf den Raum entwickelte Skulptur entstehen, die gemeinsam mit der leitmotivisch zu verstehenden Druckgrafik „The smoke of the chimneys“ (2004) gezeigt wird.
Marine Hugonnier
Für „Art for Modern Architecture (Homage to Ellsworth Kelly)“, 2005, hat Marine Hugonnier Farbflächen aus Kelly's Buch "Line Form Color" (1951) ausgeschnitten und in die Layouts von Titelseiten unterschiedlicher Zeitungen collagiert. Die Zeitungen, die sie dafür gewählt hat, sind aus Ländern, die sie bereiste. Das Buch mit den ausgeschnittenen Seiten, sozusagen das Teilelager für die Collagen, begleitet die Zeitungsseiten in einer nebenstehenden Vitrine. Wie eine Tiefbau-Architektur graben sich die Ausschnitte segmentartig in das Volumen des Buches. Zunächst unklar bleibt, ob die Farbflächen entweder auf die Maße der Layouts zugerichtet wurden oder aber zuvor nach bestehenden Analogien der Proportionen zwischen Malerei und Layouts gesucht wurde.
Hugonnier scheint mit dem Projekt ein Postulat Kelly’s wörtlich zu nehmen, dass Kunstproduktion für den öffentlichen Raum anwendbar zu machen sei. Dabei überträgt sie die Definition öffentlichen Raums prototypisch auf einen medialen Raum. Medialer Raum, der - wie auch weiter unten bei Snyder – mit seinen Formaten Wirklichkeit durch Bilder und Information vermittelt und konstituiert.
Sean Snyder
Mit einer neuen Fassung der Arbeit "Schema (Television)“ untersucht Sean Snyder die Konzepte Transparenz und Manipulation anhand der Bildwelten des Satellitenfernsehens. Er nähert sich den Codes und dem rigiden Schematismus der Bilder in Bezug auf herrschende Konventionen der Genres und in Bezug darauf, wie bestimmte Sendeformate den Konsum von Realität bieten.
Auf der Schnittebene zieht er formale Referenzen zu Dziga Vertovs Kino-Pravda Wochenschauen. Zwischentitel stellen das gezeigte visuelle Material in Frage. Dabei scheint die Montage zuerst dem Zappen eines sowohl obsessiven als auch gleichgültigen Zuschauers zu ähneln, der sich durch die endlosen Nachrichten-, Koch-, Wetter-, Verkaufs- und Unterhaltungssendungen der Kanäle arbeitet. Snyders Auseinandersetzung mit medialen Architekturen steht in Kontinuität zu seinem langjährigen Interesse daran, wie modernistische Architektur und Städteplanung verschiedenen ökonomischen, geografischen und politischen Umständen entwachsen sind. Er recherchiert in seinen Arbeiten Stadtbildern und Institutionen innewohnende Erzählungen. Wie finden die Anliegen und Entscheidungen bestimmter Konzepte und visueller Codes ihre weltweite Verbreitung?
Die Arbeiten der drei KünstlerInnen intervenieren direkt in die laufende Ausstellung mit Vojin Bakic, kuratiert von WHW, und werden zum Teil des räumlichen Ensembles. Es kommt zur Überlagerung paralleler Aktivitäten. Durch das Nebeneinander lassen sich die verschiedenen autonomen Projekte wie ein Dialog auf Ausstellungsebene lesen.
Mit Luca Frei (Lund), Marine Hugonnier (London) und Sean Snyder (Kiev) werden drei unterschiedliche und eigenwillige künstlerische Perspektiven aufgenommen. Dennoch lassen sich verschiedene Aspekte oder Interessen dieser Positionen mit dem Werk Bakic's produktiv verknüpfen.
Während von WHW anhand der Rezeption Bakic's exemplarisch gezeigt wird, wie eine bestimmte Kunst in wechselnden gesellschaftlichen Zusammenhängen zum Gegenstand signifikanter Neucodierungen werden kann, sind Frei, Hugonnier und Snyder allgemeiner daran interessiert, wie sowohl die Wahrnehmung als auch die Produktion von Zeichen und Formen durch Ideologie und verschiedene Möglichkeiten sowohl freiwilliger als auch unfreiwilliger Anwendungen determiniert wird.
Alle Arbeiten halten dabei fragend ein kritisches Moment der Moderne lebendig; erneut behaupten sie die Bedeutung von deren gesellschaftskritischen Potenzials für die Gegenwart. Jedoch ohne dieses als universal gültiges Dogma zu proklamieren. Der durch die historische Perspektive hinzugewonnene Zweifel am „großen Projekt“ scheint es gerade zu ermöglichen, sich wieder dafür zu interessieren.
(english version)
The works of these three artists intervene directly into the ongoing exhibition of works by Vojin Bakic, curated by WHW (cf. grazerkunstverein.org: menu “Programm” /Vojin Bakic) and become part of the spatial ensemble. Parallel activities end up overlapping. Through this juxtaposition the two autonomous projects can be read as a dialogue taking place on the exhibition level. With Luca Frei (Lund), Marine Hugonnier (London) and Sean Snyder (Kiev), three different and highly distinctive artistic approaches have been brought into setting. And yet the various aspects and interests that inform their work can all be fruitfully linked with Bakic's own production. While WHW – on the basis the reception of Bakic's work - will show in an exemplary way how a particular body of art can undergo significant recoding within changing social contexts, Frei, Hugonnier and Snyder are generally interested in how both the perception and the production of signs and forms are determined by ideology and by its various possible voluntary and involuntary applications. Thereby and through their playful manner, all of the works keep a critical aspect of modernism alive; they reassert the importance of their socio-critical potential in the present times. Still without proclaiming this as some universally valid dogma.
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