Grazer Kunstverein

 

2003 | Vom Horror der Kunst

Dirk Bell, André Butzer, Stan Douglas, Brock Enright, Jeanne Faust, Cameron Jamie, Andreas Hofer, Jutta Koether, Steven Parrino, Markus Schinwald, Jean Luc Verna

Eröffnung
am Freitag, dem 26. Septmeber 2003, um 18.30 Uhr

Dauer der Ausstellung
Samstag 27. September - Sonntag 30. November 2003
Di-Fr 11.00-19.00 Uhr
Sa-So 11.00-15.00 Uhr

Ort
Bürgergasse 4

Eine Koproduktion von Grazer Kunstverein und steirischer herbst.
Kuratorin: Eva Maria Stadler

Mit dem Bezug auf Strategien des Horrorfilms aktivieren Theoretiker, Künstler, Musiker, Theaterleute ein spezifisches Medium, das nicht auf grund seiner genrespezifischen oder ikonographischen Qualitäten von Interesse zu sein scheint, vielmehr rücken sie Motive in den Vordergrund, die das Gespenstische und Abgründige vielfach da orten, wo das Reale faßbar und kontrollierbar zu sein scheint.
Hardt/Negri sehen in der‚ unendlichen Variation der Beziehungen zwischen Seinsweisen und Machtsegmenten eine Verschiebung von bemessenen kontrollierten Wertmaßstäben in ein Feld des Unermesslichen, ein Feld außerhalb des Maßes'. Mit der Überschreitung und Ausdehnung von Grenzen, gehen Unbestimmtheiten einher, die in gängigen Ordnungen nicht zugelassen werden. Nun geht es aber nicht darum, die Mechanismen von Ordnungen und Machtstrukturen offen zulegen, und damit Wahrheiten zu behaupten, vielmehr werden Situationen und Wirkungen herbeigeführt, die unvorhersehbar, nicht kontrollierbar sind. Dabei soll keine neue Ordnung entstehen, sondern ein performativer Prozess in Gang gesetzt werden, der um mit Antonin Artaud zu sprechen, eine "Knechtung der Aufmerksamkeit" bedeutet. Im Hier und Jetzt der Auseinandersetzung geht es darum, dem "Gespenstischen im Gesellschaftlichen ins Auge zu sehen, wie es von Derrida gefordert wird.

Während Moralpaniken und "Politiken der alltäglichen Angst", die Brian Massumi als typisch für die spätkapitalistischen Subjektivierungsformen beschrieben hat, vor allem reflexhaft agieren - ob es gegen "gewaltverherrlichende" Bilder, für den Frieden, oder um den großen Durchblick geht, wo die Kraft der Behauptung stets in der scheinbar unmittelbaren Evidenz des Aufdeckens von Interessen und Zusammenhängen liegt - besteht das Potential der klassischen Überschreitungsgenres nämlich Melodram, Horror und Pornographieim transversalen Umgang mit verschiedenen Darstellungsebenen, normalen, imaginären und gespenstischen. Nicht die Verdrängungsarbeit, die eingewachsen ist in die Bildproduktion der Imagination, der grausig-großartigen Angst vor den Affekten, sondern das Flechtwerk an Beziehungen, Verdichtungen und Verneinungen fordert die permanente Krise, den permanenten Diskurs.
Dabei stellt die Selbstreferenz, die in den Filmen eines Mike Figgis oder in den Arbeiten von Jeanne Faust oder Stan Douglas oftmals mit der Reflexion des eigenen Mediums und der eigenen Produktionsbedingungen zu tage tritt, eine wesentliche Strategie dar, um die jeweils eigene Involviertheit in gesellschaftlichen Gewaltverhältnisse zu benennen.

On the Horror of Art

With their reference to strategies of the horror film, theoreticians, artists, musicians, and theater people activate a specific medium, not because it appears interesting with its genre-specific or iconographic qualities, but rather because they are shifting motifs into the foreground, which often locate what is ghostly and abysmal where the real seems to be comprehensible and controllable. In the "endless variations of relationships between ways of being and power segments," Hardt/Negri see "a shifting of measured, controlled value standards to a field of the immeasurable, a field outside the measure". The transgression and extension of boundaries is accompanied by indeterminacies that are not allowed in conventional orders. The point here is not to uncover the mechanisms of orders and power structures and thus assert truths, but to induce situations and effects, which are unpredictable, not controllable. This is not intended to result in a new order, but rather to set in motion a performative process signifying, in the words of Antonin Artaud, an "enslavement of attention". In the here and now of the confrontation, the point is to "look what is ghostly in society in the eye", as Derrida insists.

Whereas moral panics and "politics of everyday fear", which Brian Massumi has described as typical for late capitalist forms of subjectification, operate primarily reflexively â " whether against images "glorifying violence", for peace or in search of the grand insight, where the force of assertion is always found in the seemingly unmediated evidence of revealed interests and connections â" the potential of the classical genres of transgression, namely melodrama, horror and pornography, consists in a transversal way of dealing with different levels of representation, the normal, the imaginary and the ghostly. It is not the work of repression, which has grown into the image production of imagination, the horrifyingly grand fear of affects, but rather the interweaving of relationships, compressions and negations, which compels permanent crisis, permanent discourse. At the same time, the self-reference that is often revealed in the films of a Mike Figgis or works by Jeanne Faust or Stan Douglas with the reflection on their own medium or their own production conditions, represents an essential strategy for naming one's own involvement in social circumstances of violence.



Kuratiert von Helmut Draxler

 

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