Does television inform the way art is made? steirischer herbst 96
Eröffnung am Samstag, dem 21. September 1996, um 19.00 Uhr
Dauer der Ausstellung Sonntag 22. September - Sonntag 27. Oktober 1996 Di-Fr 11.00-19.00 Uhr Sa-So 11.00-15.00 Uhr
Kulturwissenschaftliche Seminare im Rahmen der Reihe Work-Out am Donnerstag, dem 10. Oktober 1996, um 19.00 Uhr Gespräche mit dem Theaterwissenschafter Klemens Gruber und dem Philosophen und Kulturtheoretiker Theo Ligthart
Ort Jakoministraße 16
Als Ausgangspunkt für die Ausstellung 'Fernbedienung - Does television inform the way art is made?' dient die Fernsehkultur, die in der Kunst der 90er Jahre mit einer neuen Selbstverständlichkeit aufgegriffen wird. Das noch immer relativ junge Medium Fernsehen übt bekanntlich in der Entwicklung seiner Bildsprache und Informationskultur einen nicht unbeträchtlichen Einfluß auf unsere Sehgewohnheiten und Bilddeutungen aus. Von der gegenwärtigen Kunst wird das reichhaltige Menü der Kulturmaschine Fernsehen sowohl als Lieferant und Impulsgeber als auch als mögliches Experimentierfeld genutzt, um seine Bedeutungsschichten zu verdichten und dabei zu analysieren.
Im Unterschied zur medienkritischen Sicht der Kunst der 60er und 70er Jahre, die Fernsehen als Manipulationsinstrument scharf in Frage gestellt hat, beziehen sich die jungen Künstler der Gegenwart in ihrer Analyse vor allem auf seine inhaltlichen und phänomenalen Qualitäten. Die junge Generation, für die TV etwas Alltägliches ist, interpretiert die Bilderschwemme und Suggestionskraft der Fernsehwelt nicht länger als Ursache für persönliche oder massenhafte Entfremdung. Sie sieht vielmehr in der Mixtur dokumentarischer und fiktiver Wirklichkeiten das Material für zeitgemäße kulturelle Ideen, um gesellschaftliche Bedingungen zu thematisieren. Den Glücksversprechen, der Sehnsuchtsevokation und Sensationslust, der Zerstreuung, der Unmittelbarkeit, der Melodramatik und der Affektbeladenheit, und andere Begriffe mehr, die die Kulturkritik der Moderne nicht müde geworden ist, zu verunglimpfen, begegnet die Kunst von heute in einem offenen Zugang, der die präjudizierenden Urteile zurückweist. Über Aneignung und nicht Ablehnung gelingt es, die Stupidität des Fernsehens zu entschärfen. Indem sich die Künstler der banalen Phänomenologie der Television nicht verschließen, sondern mit ihr agieren, befreien sie sich aber auch vom Simulationskult der Postmoderne. Denn durchaus fähig, Fakt und Fiktion zu trennen, handeln sie wie der zeitgenössische Fernsehnutzer, der sich über die Fernbedienung ein mediales Bilderservice liefern läßt.
Alex Bag/Patterson Beckwith (USA), Vadim Fishkin (RUS), Oliver Hangl (A), Astrid Herrmann (A), Bernard Joisten (F) und Alix Lambert (USA) arbeiten unmittelbar mit dem Medium Fernsehen. Privat TV, Publikumsspiele und Show-Mechanismen werden nachvollzogen, um das Fernsehbild mittels künstlerischer Imitation zu einer Projektionsfläche seiner eigenen Wirkungen werden zu lassen. Glenn Brown (GB), Mat Collishaw (GB), Johannes Schweiger (A), Georgina Starr (GB) und Elise Tak (NL) reflektieren das Fernsehen als omnipräsentes Medium, dessen Bilder als Vokabular einer sich stets verändernden Bildsprache zum Einsatz kommen.
Mit dem historischen Beitrag "Ways of Seeing" (1972) des englischen Kunstwissenschafters John Berger sollen die durch die Reproduktionstechniken veränderten Wahrnehmungsweisen von Kunst und Kommerzprodukten dargelegt werden. Bergers didaktisch orientierte Bildanalysen wenden sich direkt an den Fernsehzuseher. Verarbeitungsstrukturen und Mittel des Fernsehens werden in die Sendung eingebunden, sodaß die wechselseitige Abhängigkeit von kunst- und fernsehspezifischen Rezeptionszugängen zutage tritt.
Die Textbeiträge im Katalog zur Ausstellung beschäftigen sich mit den Phänomenen des Alltags und seinen Gewohnheiten am Beispiel von Fernsehbetrieb, Durchführung und Rezeption. Eva Maria Stadler betreibt eine Standortbestimmung jüngster künstlerischer Positionen angesichts massenmedialer und televisionärer Bildwelten. Thomas Trummer beschäftigt sich mit Rolle und Diskurs der Medienkritik vor dem Hintergrund eines neuen Interesses gegenüber trivialen TV-Produkten. Lynne Joyrich geht in einer vergleichenden Studie den melodramatischen Strukturen amerikanischer Sitcoms nach. Klemens Gruber befaßt sich mit dem Fernsehen aus theaterwissenschaftlicher Perspektive. Jeff Rian verfaßt ein fiktives Interview mit einem Künstler als Persiflage auf das Fernsehberuferaten. Johann Skocek sieht im Sport den Vorläufer für die universelle Vormachtstellung der Television. Theo Ligthart forscht der taktilen Funktion der Fernbedienung nach und nimmt fernsehen wörtlich: ein Medium um Reise-Sehnsüchte zu erleben.
Kuratiert von Eva Maria Stadler und Thomas Trummer
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