7. Dezember 2013 – 23. Februar 2014
Josef Bauer ‘Werke 1965–Heute’
Josef Bauer ‘Körpergalerie’, 1974, (photo, 15,3 x 24 cm) Courtesy the artist Josef Bauers Praxis (geb. 1934, Wels, Österreich) ist irgendwo zwischen Konkreter Poesie, Performance und Malerei angesiedelt; in ihr erkundet der Künstler die physische Beziehung zu linguistischer Produktion und deren Ausstellung. Anders als die Dichter der Konkreten Poesie seiner Generation erforscht Bauer jedoch die greifbare Landschaft und die Räume, in denen Sprache und ihre Darstellung in Beziehung zum Körper miteinander verbunden werden. Diese häufig skulpturalen Interventionen und Installationen ähneln rebusartigen Strukturen, in denen Begriffe wie 'Größenordnung' und 'Spur' wichtige Rollen spielen. Sein Interesse an der Problematik der Beziehung des menschlichen Körpers und seiner Interaktion mit dem bildhauerischen Objekt war auch Gegenstand genauerer Untersuchungen einiger seiner Kollegen wie Franz West. Bauer allerdings brachte die Semiotik ins Spiel, um das linguistische Potenzial dieser Objekte hervorzuheben. Sein unmittelbares Setting wurde für ihn zum Werkzeug, um die Welt um ihn herum zu verstehen und sich mit dieser in Beziehung zu setzen. Diesem physischen Verständnis gab er den Titel 'Taktile Poesie', was ganz wörtlich auch 'Poesie-zum-Berühren' oder 'berührte Poesie' meint. Mitte der 1960er-Jahre ließ er vom 'Papier' ab und drückte fortan sein Interesse an Sprache visuell in dreidimensionalen, setartigen Installationen aus, die malerische und performative Landschaften einbinden. Diese Szenerien und Handlungen umfassen häufig auch Buchstaben als Skulpturen, um das Ausmaß zu unterstreichen, in welchem sich Themen zu Objekten transformieren. Seine 'Buchstaben', zum Beispiel, bestehen aus Metallstangen, an denen jeweils Buchstaben befestigt sind. Sie ähneln vergrößerten Lesezeichen, erinnern uns aber auch an Requisiten, die häufig bei Demonstrationen zum Einsatz kommen. Die Bilder, die den Kampf der KünstlerInnen zeigen, wie sie die Strukturen in die Höhe halten, um Worte zu bilden, sind ein perfektes Beispiel für seinen Versuch, mit seiner Umgebung physisch zu kommunizieren. Bauers Arbeit ist konkreter als die eines jeden anderen Dichters Konkreter Poesie, während sie gleichzeitig die mögliche Autonomie ihrer Formen berücksichtigt und so eine gewisse suggestive Kryptografie ins Leben ruft. Josef Bauer ‘Tatort’, 1966, (photo, 30 x 23,5 cm) Courtesy the artist
Die Wahrnehmung und das Begreifen von Farbe faszinierten den Künstler zunehmend, um auf diesem Weg seinen Erkundungen zwischen Sprache und Kontext mehr Gewicht zu verleihen. Fast legasthenisch bilden die Worte und Farben keine Einheit, sondern rufen zur Wahrnehmung des Objekts an sich auf – Farbe als Sprache oder umgekehrt. Die 'Träger' dieser Worte und Farben sind genauso wichtig, denn sie beinhalten das Wesen der konkreten Realität. Die einzigartige und bahnbrechende Position von Josef Bauers Werk zeichnet sich – in einer Welt des Massenkonsums und schneller Kommunikation – durch ernsthafte Empfindsamkeit aus. Bauers letzte Einzelausstellung in Graz geht auf das Jahr 1974 in der Neuen Galerie zurück und jetzt, 40 Jahre später, freut sich der Grazer Kunstverein, die erste Überblicksausstellung des Künstlers im In- und Ausland mit mehr als 30 Arbeiten zu präsentieren, die über 40 Produktionsjahre umspannen – von den frühen Experimenten mit abstrakten Formen zu neueren Untersuchungen mit Sprache und Farbe. Josef Bauer wurde 1934 in Wels, Österreich, geboren und studierte an der Universität für Künstlerische und Industrielle Gestaltung in Linz von 1956–1964. Seither hat er sowohl in Österreich wie auch im Ausland ausgestellt. Er lebt und arbeitet in Gunskirchen und in Linz, Österreich.
The Members Library* ‘Guy de Cointet - Publikationen’ Guy de Cointet ‘TSNX C24VA7ME’, 1974 Courtesy The Estate of Guy de Cointet/ Air de Paris, Paris. Guy de Cointet (1934–1983) lebte als Künstler die meiste Zeit in Los Angeles, wo er ein vielgestaltiges Œuvre entwickelte. Seine Praxis ließe sich als 'Theater in einem erweiterten Feld' umschreiben. Guy de Cointet hat mehr als zwanzig Theaterstücke geschrieben, die Hälfte davon wurde noch zu seinen Lebzeiten aufgeführt. Als Franzose in den Vereinigten Staaten und als perfekter Beobachter der Unterhaltungsgesellschaft mit seinen Soap Operas und Bodybuilding, schuf er ein Werk, das die Grenzen zwischen Hoch-und Populärkultur, zwischen Performance und Skulptur, Theater und Alltagsleben auslotet. Publikationen waren für de Cointet ein Weg, um seinem Interesse an Kryptografie Ausdruck zu verleihen. Genauso wie mit seinen Zeichnungen und Theaterstücken schuf er auch mit diesen undurchdringliche Rätsel aus Buchstaben und Zahlen. Die gezeigten Publikationen veranschaulichen auf perfekte Weise seine Liebe zu Interpretation und Dekodierung. Des Künstlers Gebrauch von enigmatischen Systemen verweist auf eine minimalistische Ästhetik und auf ein strukturalistisches Spiel mit Linguistik. *The Members Library wurde von der Künstlerin und Architektin Céline Condorelli in Zusammenarbeit mit Harry Thaler als Dauerausstellung mit dem Titel 'Things That Go Without Saying' konstruiert und entworfen. Die für The Members Library gebaute Struktur ist Teil einer Serie mit dem Titel 'Additionals'. Diese verschiedenen, requisitenartigen Objekte sind scheinbar funktionale Strukturen und zwischen Möbeln und Architektur einzuordnen. The Peacock *Neue Ergänzung
Franz West* ‘Pouf’, 2000
Franz West ‘Pouf’, 2000 Steel, wood, foam, cotton cover, 80 x 220 x 150 cm Courtesy Collection Stolitzka
Die Arbeit des österreichischen Künstlers Franz West (1947–2012) war zunächst eine Reaktion auf die Aktions- und Performance-Kunst der Sechzigerjahre. Anstatt Objekte zur Ansicht herzustellen, schuf er Skulpturen, die berührt werden konnten. Seine 'Passstücke' sollten als Skulpturen in der Galerie herumgetragen werden, sodass die BetrachterInnen beobachten konnten, wie sie sich an ihre Körper 'anpassten'. Wests Möbel sehen, wie auch seine Skulpturen, merkwürdig, ja manchmal grotesk aus, während sie gleichzeitig mit eleganten Eigenschaften überraschen. Der Grazer Kunstverein präsentiert einen seiner berüchtigten „Poufs“ aus dem Jahr 2000. Das Wort „pouf“ ist onomatopoeisch – wenn Sie sich schwungvoll auf den 'Pouf' setzen, ist vielleicht ein Geräusch wie das Wort zu hören. Obgleich ein 'Pouf' ganz offensichtlich eine Sitzgelegenheit ist, erinnert seine Form auch an die aufgebauschten (puffed-up) Haarfrisuren der modebewussten Damen des 18. Jahrhunderts. Diese Frisur war nicht nur sehr aufwendig, sondern ließ auch eine beinahe skulpturale Kopfbedeckung entstehen.
Auf dem 'Pouf' ist eine Kopie des Romans „Das Sofa“ von C.P.J. de Crébillon ausgelegt. Die Geschichte handelt von dem jungen Höfling Amanzéï, dessen Seele in einem vergangenen Leben von Brahma dazu verdammt wurde, eine Serie von Sofas zu bewohnen und sich so lange nicht in einem menschlichen Körper zu reinkarnieren, bis zwei jungfräuliche Liebende ihre Leidenschaft auf ihm konsumiert hatten. Jeden Sonntag wird ein Romanabschnitt still von einem Mitglied des Personals des Grazer Kunstvereins gelesen.
Nina Beier ‘Tragedy’, 2011
Ein persischer Teppich am Eingang des ersten Galerieraums wird zur Bühne einer Performance, in der verschiedene HundebesitzerInnen die Ausstellung zu unangekündigten Zeiten aufsuchen und ihre Tiere bitten, sich 'tot zu stellen'. Das Ergebnis ist eine absurd theatralische Geste, bei der einen Augenblick lang das Tier sowohl als Stillleben wie als 'Torwächter' zu den Ausstellungsräumen fungiert. Der Teppich wird jedoch im Verlauf des gesamten Jahres im Grazer Kunstverein verschiedene Funktionen erfüllen, und daher seinen eigenen Wert und seine Präsenz in Frage stellen.
Will Stuart ‘Über die Positionierung einer Reproduktion von Michelangelo Pistolettos Struttura per parlare in piedi (Struktur, um im Stehen zu reden), 1965–66 aus der Serie Oggetti in meno (Minus-Objekte), Nachbildung’, 2012
An ausverhandelten Aufstellungsplätzen präsentieren Will Stuart (Will Holder und Stuart Bailey) eine Nachbildung der 'Struttura per parlare in piedi', einer Arbeit von Michelangelo Pistoletto (geb. 1933, Italien). Diese Arbeit ist Teil seiner Reihe 'Minus-Objekte'. Begleitet wird das Werk von einer öffentlichen Bekanntmachung, welche die ursprünglichen Intentionen hinter der Arbeit wie auch die Frage untersucht, wie spätere Verhandlungen mit den verschiedenen Beteiligten ihren doppeldeutigen Zweck als Möbelstück (zum Anlehnen für die Öffentlichkeit) und als Metapher (für Konversationspolitik) reflektieren. Das Objekt wird ständiges Thema der Auseinandersetzung bei der Beschäftigung mit Raum und Funktion innerhalb des diskursiven Programms sein.
Michelangelo Pistolettos Werk wurde bereits 1988 im Grazer Kunstverein ausgestellt.
Robert Wilhite ‘Small Chair’, 1984
Die Methode von Robert Wilhite (geb. 1946, Santa Ana, Kalifornien) ist gekennzeichnet von einem andauernden Kampf zwischen Zufall und Berechnung, dem Konzeptuellen und dem Dinglichen. Seine Arbeit weist die Bereitschaft auf, sich frei zwischen Medien und Disziplinen zu bewegen, von Skulptur über Performance bis zum Besteckdesign. In den späten 1970ern arbeitete Wilhite mit dem französischen Künstler Guy de Cointet an vier Theaterstücken zusammen, für die er Ausstattung und Bühnenbild herstellte. Der kleine schwarze Stuhl ist die Nachbildung eines der in den Stücken benutzten Requisiten und wird immer dann reproduziert wenn das Programm des Grazer Kunstvereins es verlangt.
‘Josef Bauer: Werke 1965–Heute’ wurde vom Land Oberösterreich großzügig gefördert.
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