21. September – 24. November 2013
Doug Ashford
Doug Ashford ‘Red Day 1966’, 2010. #6, tempera on wood, 40 x 31 cm Courtesy of the artist and Wilfried Lentz Rotterdam Doug Ashords Herkunft ist von einer sozial engagierten Kunstpraxis in den 1980er- und 1990er-Jahren als Mitglied des New Yorker Kunstkollektivs 'Group Material' (1982–1996) geprägt. Nach der Auflösung des Kollektivs begann der Künstler ernsthaft zu malen. Die frühen öffentlichen Projekte von Group Material hinterfragten den Begriff der Kunstausstellung selbst im Hinblick auf ihre sozialen und partizipatorischen Zwecke und zweifelten damit auch das Terrain des politischen Lebens an. Ashfords aktuelle Werke fokussieren die tröstende Rolle des Kunstwerks, indem es in erster Linie tragische, aber auch politische Ereignisse in schematisch abstrakten Gemälden abbildet. Die Formen, die sich in diesem Arbeitsprozess manifestieren, beginnen beispielsweise mit Zeitungsausschnitten politischer Kundgebungen, die häufig wegen ihrer Tatsachendarstellung und ihrer imaginistischen Wirkung ausgewählt wurden. Die ProtagonistInnen in diesen Augenblicken starken sozialen Aufruhrs verkörpern eine ästhetische Haltung, während sie auf eine Notsituation reagieren; sie bewegen sich, als hätte sie das Mitgefühl in einen Impuls getragen, der die Katastrophe überwindet. Ashford abstrahiert die Szenarios durch Ausschnitte und farbige Schemata, die ein jedes für sich das Ereignis auf einer eher metaphorischen und formalen Ebene analysieren.
Group Material ‘Democracy: AIDS and Democracy: A Case Study’ (exhibition detail), 1988. Dia Art Foundation, NYC Courtesy of the artists
Der Grazer Kunstverein widmet die erste institutionelle Einzelausstellung Doug Ashfords einem Überblick über die Arbeits- und Denkweise des Künstlers und setzt in den späten 1980er-Jahren ein, als Ashford Mitglied des Künstlerkollektivs 'Group Material' war. Die Präsentation reicht bis zu neueren Arbeiten, die in der Mehrzahl aus Gemälden bestehen. Ashford ist außerdem als Gelehrter und Schriftsteller bekannt, was den Grazer Kunstverein eine Publikation in Kollaboration mit Mousse Publishing produzieren ließ, die eine Auswahl seiner Schriften anbietet. Die meisten dieser Aufzeichnungen analysieren und diskutieren das Kollektiv und das Soziale in der Kunst. Über den Künstler Doug Ashford (*1958, New York) ist Lehrer, Künstler und Schriftsteller. Er hat an der Universität The Cooper Union eine Gastprofessur für den Fortschritt von Wissenschaft und Kunst inne. Seit über 20 Jahren unterrichtet er Design, Skulptur und Theorie, seine Ringvorlesung Interdisciplinary Seminar war oft eine Plattform für öffentliche Diskussionen. Ashfords Praxis als Künstler manifestierte sich zwischen 1982 bis 1996 vor allem als Mitglied der Künstlergruppe Group Material, deren internationale Ausstellungen, öffentliche Projekte und Publikationen die Rolle der Kunst für eine mögliche Neukonzeption des demokratischen Lebens analysierten. Seit damals produzierte er kontinuierlich Malereien und Schriften und organisierte interdisziplinäre Projekte. Seine zuletzt erschienene Publikation Who Cares (Creative Time, 2006) basiert auf Gesprächen zwischen Ashford und anderen Kulturschöpfenden zu Themen wie Ausdrucksformen, Schönheit und Ethik. Seine Werke und Malereien wurden unter anderem in der Wilfried Lentz Gallery (2013), auf der documenta 13 (2012), auf der Sharjah Biennial 10 (2011) und in der Ausstellung 'Abstract Possible' in Malmö Konsthall, Museo Tamayo, Tensta Konsthall und anderen Orten (2010–11) gezeigt.
The Members Library* 'Trisha Brown: Frühe Arbeiten 1966–1979' Trisha Brown ‘Watermotor’, 1978 Courtesy by Lois Greenfield 1962 wurde Trisha Brown eines der Gründungsmitglieder des Judson Church Dance Theater in New York und 1970 war sie Mitbegründerin der Tanzgruppe The Grand Union. Die TänzerInnen dieser radikalen Gruppen wie Yvonne Rainer und Steve Paxton integrierten Improvisation und Alltagsbewegungen in ihre Arbeit, die normalerweise nicht mit einer serösen Choreografie einhergehen. Viele von Browns frühen Performances fanden im Freien statt. Auf diese Weise übertrug sie ihren Tanz in die reale Welt der Objekte und unvorhersehbaren Ereignisse. Das Buch erinnert an die Fülle jener Zeiten, als DichterInnen, MusikerInnen, MalerInnen und BildhauerInnen sich mit TänzerInnen und ChoreografInnen zusammenschlossen und gemeinsam die Hierarchien und Grenzen ihrer Disziplinen hinterfragten. Bis in die späten 1970er-Jahre suchte Brown nach Wegen, um ihre Tänze zu erweitern und zu öffnen. Der Wunsch, großformatige, komplexe Produktionen zu schaffen, führte dazu, dass sie Bühnenaufbau und Musik als gleichzeitige, unabhängige Elemente in ihre Arbeit integrierte. Sie arbeitete mit visuellen MusikerInnen wie Laurie Anderson, Robert Ashley, John Cage, Alvin Curran, Nancy Graves, Donald Judd, Fujiko Nakaya, Robert Rauschenberg, und in jüngster Zeit mit Terry Winters zusammen. Dabei schuf sie visuelle und musikalische Spektakel oder 'Bewegungs-Bilder'. 'Trisha Brown: Frühe Arbeiten 1966–1979' wird einen Überblick über alle Dokumentationen von Arbeiten geben, die zwischen 1966–1979 entstanden, darunter die berühmt-berüchtigten Performances auf den Straßen von Soho. *The Members Library wurde von der Künstlerin und Architektin Céline Condorelli in Zusammenarbeit mit Harry Thaler als Dauerausstellung mit dem Titel 'Things That Go Without Saying' konstruiert und entworfen. Die für die The Members Library gebaute Struktur ist Teil einer Serie mit dem Titel 'Additionals'. Diese verschiedenen, requisitenartigen Objekte sind scheinbar funktionale Strukturen und zwischen Möbeln und Architektur einzuordnen. The Peacock *Neue Ergänzungen Germaine Kruip*
Germaine Kruip ‘Column Untitled’, 2012 (detail) Courtesy by The approach
In Germaine Kruips Arbeit steht häufig die Position der BetrachterIn auf dem Prüfstand. Die Performance 'A possibility of an abstraction: Circle Dance' wird von einem Derwisch-Tänzer ausgeführt, der auch 'Whirling Dervish' genannt wird und der traditionell in einem ekstatischen Ritual in dem Versuch herumwirbelt, sich mit einem höheren Universum zu verbinden. Kruip reduziert die Performance auf ihre minimalste Essenz, sodass sich die BetrachterInnen auf die reine Bewegung des Tänzers konzentrieren, der in einen einfachen, schwarzen Anzug und ein weißes Hemd gekleidet ist. Mit dieser Performance untersucht sie eine Vorstellung, die ihre gesamte Praxis durchzieht, nämlich das Konzept, dass eine einfache, ästhetische repetitive Intervention die Umgebung verändern und beeinflussen kann. Die Performance gehört zu einer neuen Werkserie mit dem Titel 'A possibility of an abstraction', die sich mit abstrakter Sprache beschäftigt, die sich durch geometrische Formen in der Kunst ergibt. Die formale Sprache einfacher geometrischer Formen, wie Kreise und Vierecke, haben in der Kunst bereits vielfach als Projektionsfläche vieler Bedeutungen gedient. Diese Sprache wurde im Lauf der Kunstgeschichte wiederholt und bekam mit der Zeit neue und verschiedene Bedeutungen. Kruip sieht diese Wiederholung einer Form oder einer Geste als ritualisierten Prozess. Für den Grazer Kunstverein schuf die Künstlerin eine neue Performance mit dem Titel 'A possibility of an abstraction: Square Dance'. Dafür arbeitete sie mit Derwisch-TänzerInnen, die versuchen, Bruce Nauman’s 'Square dance' zu kopieren. Die neue Performance wird vom Stedelijk Museum Amsterdam co-produziert und dort auch Anfang nächsten Jahres präsentiert. Begleitend zur Performance wird Column Untitled (2012) am Eingang des Grazer Kunstvereins gezeigt. Die weiße Säule besteht aus großem, geometrischen Marmorperlen und wird vom Boden zur Decke installiert. Die Arbeit betont dabei die abstrakte Beziehung zwischen unterschiedlichen Kontexten.
Sarah Browne* Sarah Brownes forschungsbasierte Praxis untersucht die Materialität unserer Kommunikation und wie wir Bedeutung durch Austausch und Transaktion schaffen. Diese Arbeit thematisiert immer wieder implizit „die Wirtschaft” als dominante Metapher für zeitgenössische und politische Beziehungen und versucht, alternative Interaktionen innerhalb dieser existierenden Systeme zu lokalisieren, zu produzieren und zu bewerten. Im Grazer Kunstverein präsentiert die Künstlerin 'Carpet for the Irish Pavilion at the Venice Biennale und Letter to Eileen Gray' (2009) zusammen mit 'From Margin to Margin (Looking for Eileen)' (2010), und eine neue Arbeit, 'Remembering Gray' (2013). Sarah Browne 'Carpet for the Irish Pavilion at the Venice Biennale', 2009 Installation view at Contemporary Art Gallery, Vancouver, 2012. Photo by Scott Massey Collection Kildare County Council Für Irlands Vertretung bei der Biennale in Venedig 2009 beauftragte Browne einen maßgeschneiderten und handgeknüpften Teppich bei Donegal Carpets, einem Unternehmen, das für seine renommierte Tradition der Produktion von handgeknüpften Läufern für die irischen Botschaften im Ausland und für andere staatliche Institutionen wie das Weiße Haus oder den Buckingham Palace, bekannt ist. Weit entfernt von seinen Wurzeln in der Arts-and-Crafts-Bewegung überlebte das Unternehmen bis vor Kurzem durch maschinelle Produktion oder das Auslagern von Arbeit auf die Philippinen. Für dieses Projekt initiierte die Künstlerin jedoch das Revival eines anachronistischen Produktionsmodus. Lokal ansässige Frauen, die früher in der Fabrik gearbeitet hatten (viele von ihnen arbeiten jetzt im Heritage Centre, das diese ersetzt hat), wurden wieder angestellt, um einen Teppich herzustellen. Während sie sich offenbar an bestimmte modernistische Designs erinnerten (in diesem Fall jenes der irischen Emigrantin Eileen Gray, die ebenfalls Teppiche in der Fabrik der 1970er-Jahre produzieren ließ), wurde das Design und die Farbwahl tatsächlich von der Entscheidung bestimmt, ausschließlich die noch vorhandenen, überschüssigen Wollvorräte in der Fabrik zu verwenden. Ein Brief an Eileen Gray bringt einige der Besorgnisse des Projekts ans Licht, wie die Arbeit von Frauen, die Probleme der ‘nationalen Repräsentation’ und unsichtbare Feminismen. 'From Margin to Margin (Looking for Eileen)' ist ein 46-seitiges Künstlerbuch im Leporello-Format, das über 7,5 Meter misst, wenn es ganz ausgefaltet ist. Beauftragt von der Daimler Collection, damit so die künstlerische Forschung zu Eileen Gray und ihrem Erbe fortgesetzt werden kann, macht das Buch den Prozess der Beauftragung transparent sowie den Kampf, ein passendes Kunstwerk herzustellen, das die Interessen aller Projektbeteiligten berücksichtigt, einschließlich des Auftraggebers und Gray selbst. Das Buch besteht aus einer Reihe von Briefwechseln, zu denen auch Briefe der Künstlerin an Eileen gehören, genauso wie verschiedene Versuche, Grays Villa E1027 vom Meer aus frontal (wo Le Corbusier ertrankt) zu fotografieren, die Erlaubnis einzuholen, einen Film auf dem derzeit restaurierten Gelände zu drehen und schließlich der Versuch, das Auftragsbudget dazu zu verwenden, Grays Grab auf dem Friedhof Pére Lachaise, Paris, wieder instandzusetzen – was fehlschlug, denn sie ist dort nicht länger bestattet und es besteht Unsicherheit über den Ort ihrer Asche. Mit dem Erlös aus dem Verkauf dieses Buches wurde ein Fonds eingerichtet, der im Dienst der Erinnerung an Eileen Gray’ verwendet werden soll. Für 'Remembering Gray' erfüllt die Künstlerin ihren selbst-auferlegten Vertrag, indem sie ein Gedicht von der Lyrikerin Alice Lyons beauftragt. Das Gedicht existiert anstelle irgendeiner formalen Grabrede oder eines Nachrufes für Gray, aber auch als Lyons’ eigene Arbeit, mit eigener Integrität. Die Arbeit soll auch performatives Potenzial haben und vielfältig verbreitet und übersetzt werden können, so ursprünglich auch in den Morse-Code, eine Form der minimalen Kommunikation, welche sich ebenfalls durch die Qualitäten der Unsichtbarkeit und des Geheimnisses, die mit Grays Praxis mitklingen, auszeichnen. Eine Übertragung dieses Werks findet von Oktober 2013 bis April 2014 über eine temporäre Kurzwellen-Radiostation im Irish Museum of Modern Art (Anrufsignal EI2EEN) statt. Die Version im Grazer Kunstverein greift in das gebaute Gefüge der Institution ein, indem das Blinken einer Leuchtröhre eine Gedenkstätte für sie ankündigt.
Nina Beier 'Tragedy', 2011
Ein persischer Teppich am Eingang des ersten Galerieraums wird zur Bühne einer Performance, in der verschiedene HundebesitzerInnen die Ausstellung zu unangekündigten Zeiten aufsuchen und ihre Tiere bitten, sich 'tot zu stellen'. Das Ergebnis ist eine absurd theatralische Geste, bei der einen Augenblick lang das Tier sowohl als Stillleben wie als 'Torwächter' zu den Galerien fungiert. Der Teppich wird jedoch im Verlauf des gesamten Jahres im Grazer Kunstverein verschiedene Funktionen erfüllen, und daher seinen eigenen Wert und seine Präsenz in Frage stellen.
Will Stuart 'Über die Positionierung einer Reproduktion von Michelangelo Pistolettos Struttura per parlare in piedi (Struktur, um im Stehen zu reden), 1965–66 aus der Serie 'Minus-Objekte' (Oggetti in meno), Nachbildung, 2012' An ausverhandelten Aufstellungsplätzen präsentieren Will Stuart (Will Holder und Stuart Bailey) eine Nachbildung der Struttura per parlare in piedi (Struktur, um im Stehen zu reden) (1965/1966), einer Arbeit von Michelangelo Pistoletto (geb. 1933 in Italien). Diese Arbeit ist Teil seiner Reihe 'Minus Objects' (Oggetti in meno). Begleitet wird das Werk von einer öffentlichen Bekanntmachung, welche die ursprünglichen Intentionen hinter der Arbeit wie auch die Frage untersucht, wie spätere Verhandlungen mit den verschiedenen Beteiligten ihren doppeldeutigen Zweck als Möbelstück (zum Anlehnen für die Öffentlichkeit) und als Metapher (für Konversationspolitik) reflektieren. Das Objekt wird ständiges Thema der Auseinandersetzung bei der Beschäftigung mit Raum und Funktion innerhalb des diskursiven Programms sein. Michelangelo Pistolettos Werk wurde bereits 1988 im Grazer Kunstverein ausgestellt.
Robert Wilhite 'Small Chair', 1984 Die Methode von Robert Wilhite (geb. 1946, Santa Ana, Kalifornien) ist gekennzeichnet von einem andauernden Kampf zwischen Zufall und Berechnung, dem Konzeptuellen und dem Dinglichen. Seine Arbeit weist die Bereitschaft auf, sich frei zwischen Medien und Disziplinen zu bewegen, von Skulptur über Performance bis zum Besteckdesign. In den späten 1970ern arbeitete Wilhite mit dem französischen Künstler Guy de Cointet an vier Theaterstücken zusammen, für die er Ausstattung und Bühnenbild herstellte. Der kleine schwarze Stuhl ist die Nachbildung eines der in den Stücken benutzten Requisiten. 1997 stellte Wilhite eine Reihe von Stühlen für die Künstlerin Mierle Laderman Ukeles als Teil ihrer Installation 'Unburning Freedom Hall' im Museum of Contemporary Art, Los Angeles, Kalifornien, her.
Koproduktion steirischer herbst
The Mondriaan Fund und Culture Irland unterstützen freundlicherweise die Arbeiten von Germaine Kruip und Sarah Browne.
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