9. März – 19. Mai 2013
Mierle Laderman Ukeles 'Maintenance Art Works 1969–1980'
Mierle Laderman Ukeles ‘Maintenance Art Work’, 1977 Courtesy Ronald Feldman Fine Arts, New York Der Grazer Kunstverein beginnt sein Antrittsprogramm, das sich den Ideen einer sozialen Abstraktion widmet, mit der allerersten umfassenden Einzelausstellung des Frühwerks der Künstlerin in Europa. Die Schau, ursprünglich 1998 von der New Yorker Galerie Ronald Feldman Fine Arts organisiert, stellt ein Schaffenswerk vor, das mehr als ein Jahrzehnt an maßgeblichen Leistungen überspannt.
Das Werk von Mierle Laderman Ukeles (geb. 1939 in Denver, Colorado) befasst sich mit den alltäglichen Abläufen des Lebens. 1969, nach der Geburt ihres ersten Kindes, schrieb Ukeles ein 'Manifesto for Maintenance Art', das binäre Gegensatz-Systeme, welche Unterschiede zwischen Kunst/Leben, Natur/Kultur und öffentlich/privat artikulieren, hinterfragte. Das Manifest schlug vor, Grenzziehungen aufzuheben, die die Erhaltung des täglichen Lebens von der Rolle des Kunstschaffenden in der Gesellschaft trennen. Ukeles wollte wissen, wie das Konzept der Übertragung von Kunstschaffenden genutzt werden könnte, um Menschen zu befähigen, als Akteure eines Wandels zu agieren, damit ein positives Engagement der Gemeinschaft für ökologische Nachhaltigkeit stimuliert wird. In den 1960ern schloss Ukeles ein Grundstudium in Geschichte und Internationalen Studien an der Barnard ab und belegte am Pratt Institute in New York Bildende Kunst. Zu jener Zeit war das Werk von Ukeles experimenteller Art und vermittelte in visueller und symbolischer Form soziale Spannungen, die in Verbindung mit Ereignissen wie der Frauenbewegung und dem Vietnamkrieg standen.
Ukeles war zunehmend besorgt über die Trennung des Kunstschaffenden in der Gesellschaft von alltäglichen Aktivitäten wie Kinderbetreuung, häuslicher Arbeit und anderen routinemäßigen Verrichtungen, von denen sie meinte, dass diese innerhalb der Zusammenhänge persönlicher und politischer Ästhetik-Wertehaltungen neu gedeutet werden sollten. Ukeles erklärte: 'Avantgarde-Kunst, welche die äußerste Entwicklung für sich behauptet, ist mit Erregern von Erhaltungsideen, Erhaltungsaktivitäten und Erhaltungsmaterialien infiziert ...'
'Ich bin eine Künstlerin. Ich bin eine Frau. Ich bin eine Ehefrau. Ich bin eine Mutter. (In beliebiger Reihenfolge) Ich wasche, reinige, koche, erneuere, unterstütze, konserviere, etc. verdammt viel. Ebenso (bislang davon getrennt) ,mache‘ ich Kunst. Nun werde ich einfach diese alltäglichen Dinge tun und sie ins Bewusstsein heraufbringen, sie zur Schau stellen, als Kunst.' (Ukeles, 1969)
Begleitet wird die Ausstellung durch Ukeles' allererste Publikation, welche sich auf ihre zwischen 1983 und 2012 geschaffenen 'Ballet Works' konzentriert. Hergestellt wird sie vom Kunstverein Amsterdam in Zusammenarbeit mit dem Grazer Kunstverein und verlegt von Sternberg Press, unterstützt von der Galerie Ronald Feldman Fine Arts und der Graham Foundation for Advanced Studies in the Fine Arts.
The Members Library* 'Raivo Puusemp – Dissolution'
Raivo Puusemp ‘Intersecting Discs #1’, 1966 Courtesy the artist Die erste Präsentation in der Bibliotheksreihe ist dem Werk von Raivo Puusemp (geb. 1942, EE/USA) und der Neuauflage seiner Publikation' Beyond Art – Dissolution of Rosendale, N.Y.' aus dem Jahr 1980 gewidmet.
Als der Künstler Raivo Puusemp 1975 zum Bürgermeister von Rosendale, New York, gewählt wurde, laborierte der Ort an einem erdrückenden Steuerwesen und Problemen mit Gemeindeversorgern. Nach seiner Wahl und während seiner Amtszeit wussten die Einwohner von Rosendale weder, dass Puusemp Konzeptkünstler war, noch von seinem frühen Interesse an Phänomenologie und auch nicht von seinen späteren Experimenten mit Gruppendynamiken und soziopolitischen Prozessen. Puusemp‘s Zugang zum Amt war jedoch ein künstlerischer. Er glaubte, dass in der Politik Einfluss und Konzept in vereinbarer Form zueinander finden könnten. Indem er konzeptuelle Strategien anwandte, um die Probleme der Ortschaft in Angriff zu nehmen, betrachtete Puusemp die Situation als ein Kunstwerk in Gestalt eines politischen Problems. Er stütze sich auf frühere Arbeiten – die er 'influence pieces' ('Einfluss-Stücke') nannte – bei denen der Künstler Subjekte zur unbewussten Ausführung seiner Ideen hin gesteuert hatte.
Bis März 1976 hatte Puusemp die Bürger von Rosendale für die Auflösung der Ortsverwaltung als bestmögliche Lösung ihrer Probleme überzeugt; erdrutschartig stimmten zwei Drittel dafür. Im Oktober desselben Jahres trat Puusemp als Bürgermeister zurück, zog sich aus dem Kunstkontext zurück und übersiedelte mit seiner Familie nach Utah. 'Rosendale, A Public Work' war der Versuch, ein formales Konzept über ein mehr oder minder zielloses politisches Mikrosystem zu stülpen und dadurch eine dauerhafte Wirkung auf dieses System zu erzielen. Die Aufzeichnungen dieses Prozesses einschließlich einer Reihe offizieller Briefe, Akten und Zeitungsausschnitte wurden vom Künstler zusammengetragen und später in seiner als die Broschüre 'Beyond Art – Dissolution of Rosendale, N.Y.' veröffentlicht. Reproduzierte Blätter der Originalpublikation sind Teil der Ausstellung.
Die Ausstellung 'Raivo Puusemp – Dissolution' zeigt, neben Material rund um die Arbeit Rosendale, A Public Work, auch eine frühere Arbeit, die größtenteils in die Konstruktion einer Phänomenologie eingebettet ist, als auch eine jüngere Arbeit, die für das National Museum of Ethnology in Leiden (NL) produziert wurde und das Begräbnis eines Werks von Paul Mccarthy beinhaltet.
Gegenübergestellt werden verwandte Arbeiten des Künstlers Ben Kinmont (geb. 1963, USA) gezeigt, die das Konzept des Zurückziehens und der künstlerischen Kontextualisierung verhandeln.
'Raivo Puusemp – Dissolution' wird koproduziert vom Project Arts Centre, Dublin, Irland, dem Grazer Kunstverein, Graz, Österreich, und dem Utah Museum of Contemporary Art, Salt Lake City, USA. Im Anschluss an ihre Präsentation im Project Arts Centre (9. November 2012 – 12. Jänner 2013) und im Grazer Kunstverein (8. März – 19. Mai 2013) geht die Ausstellung ins Utah Museum of Contemporary Art (7. Juni – 27. Juli 2013).
The Peacock
Nina Beier 'Tragedy', 2011
Nina Beier ‘Tragedy’, 2011 Courtesy Laura Bartlett Gallery, London
Ein beim Eingang des ersten Ausstellungsraums platzierter Perserteppich bildet die Bühne für eine Performance, bei der verschiedene Hundebesitzer die Ausstellung unangekündigt besuchen und ihre Tiere auffordern, auf dem Teppich 'tot zu spielen'. Das Resultat ist eine absurde, theatralische Geste, bei der das Haustier einen Moment lang ein Stillleben wird und zugleich als 'Torwächter' der Ausstellungsräume fungiert.
Will Stuart 'Über die Positionierung einer Reproduktion von Michelangelo Pistolettos Struttura per parlare in piedi (Struktur, um im Stehen zu reden), 1965-66 aus der Serie 'Minus-Objekte' (Oggetti in meno), Nachbildung, 2012'
Michelangelo Pistoletto ‘Struttura per parlare in piedi’ (Structure for talking while standing), 1965–66 Courtesy the artist
An ausverhandelten Aufstellungsplätzen präsentieren Will Stuart (Will Holder und Stuart Bailey) eine Nachbildung von 'Struttura per parlare in piedi' (Struktur, um im Stehen zu reden) (1965/66), ein Werk von Michelangelo Pistoletto (geb. 1933 in Italien), das zu seiner Serie 'Minus-Objekte' (Oggetti in meno) gehört. Begleitet wird die Arbeit von einer öffentlichen Bekanntmachung, welche die ursprünglichen Absichten des Werks untersucht und erklärt, wie in der Folge Verhandlungen mit den unterschiedlichen Beteiligten ihren doppeldeutigen Zweck als Möbelstück (zum Anlehnen fürs Publikum) und Metapher (für die Konversationspolitik) spiegeln. Das Objekt wird ständiger Verhandlungsgegenstand bei den Überlegungen zu Raum und Funktion innerhalb des diskursiven Programms sein.
Mit Michelangelo Pistolettos Werk als Premierenausstellung öffnete 1986 der Grazer Kunstverein seine Pforten.
Dexter Sinister 'Tinctures', 2011
Dexter Sinister ist ein Designer-Redakteur-Verleger-Duo, das 2006 von Stuart Bailey und David Reinfurt gegründet wurde. Ihre Aktivitäten, darunter eine Werkstätte und Buchhandlung in New York, erforschen die Möglichkeiten des Verlegens in gedruckter wie digitaler Form – oft in Verbindung mit Kunstproduktion. Viele ihrer Projekte sind ortsspezifisch und zeitkritisch, etwa in Galerien während festgelegter Zeiträume live produzierte Publikationen und Veranstaltungen. 2011 stellten sie Teppichfliesen her, die auf „Tinkturen“ basieren. In der Heraldik sind Tinkturen die Farben, mit denen ein Wappen geschmückt wird. Oft konnten konkrete Gestaltungen einzig unter Verwendung der Schwarzweiß-Zeichnung übermittelt werden. In Ermangelung einer getreuen Farbdarstellung wurde ein kodiertes System der Linienschraffur entwickelt, das mühelos eine Tinktur von der anderen unterschied. Jede Tinktur hat einen ihr zugehörigen heraldischen Namen. Die von Dexter Sinister hergestellten Fliesen sind über die Ausstellungsräume verteilt.
Robert Wilhite 'Small Chair', 1984
Robert Wilhite, ‘small black chair’, 1980 Courtesy the artist
Die Methode von Robert Wilhite (geb. 1946, Santa Ana, Kalifornien) ist gekennzeichnet von einem andauernden Kampf zwischen Zufall und Berechnung, dem Konzeptuellen und dem Dinglichen. Seine Arbeit weist die Bereitschaft auf, sich frei zwischen Medien und Disziplinen zu bewegen, von Skulptur über Performance bis zum Besteckdesign. In den späten 1970ern arbeitete Wilhite mit dem französischen Künstler Guy de Cointet an vier Theaterstücken zusammen, für die er Ausstattung und Bühnenbild herstellte. Der kleine schwarze Stuhl ist die Nachbildung eines der in den Stücken benutzten Requisiten.
1997 stellte Wilhite eine Reihe von Stühlen für die Künstlerin Mierle Laderman Ukeles als Teil ihrer Installation 'Unburning Freedom Hall' im Museum of Contemporary Art, Los Angeles, Kalifornien, her.
Die Königlich Dänische Botschaft unterstützt das Werk von Nina Beier.
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