26. September – 29. November 2015
AA Bronson’s Sacre du Printemps
Mit AA Bronson sowie Igshaan Adams, Keith Boadwee, Ryan Brewer, Elijah Burgher, Nicolaus Chaffin, Michael Dudeck, K8 Hardy, Matthias Herrmann, Reima Hirvonen, Yeonjune Jung, Mark Jan Krayenhoff van de Leur, Chrysanne Stathacos, Scott Treleaven und JX Williams.
AA Bronson und Ryan Brewer, „Blue“ (detail), 2011 Duratrans-Folie in Leuchtbox, 180 x 240 cm Courtesy: Esther Schipper, Berlin
Die fortlaufende Erkundigung des Grazer Kunstvereins in Vorstellungen der sozialen Abstraktion reagiert dieses Jahr auf das neue Leitmotiv des steirischen herbstes 2015, der sich mit dem Begriff der „Hinterlassenschaft“ beschäftigt, ausgehend von Fragen der Eigentümerschaft, des Wissenstransfers und von unserem Umgang mit kulturellem Erbe.
In Zusammenarbeit mit dem Salzburger Kunstverein hat der Grazer Kunstverein den Künstler und Heiler AA Bronson (geb. 1946, Vancouver, CA) eingeladen, ein groß angelegtes Projekt an beiden Veranstaltungsorten gleichzeitig zu entwickeln. AA Bronson operiert bei diesem Hybridprojekt als Künstler und Kurator, als Subjekt und Objekt zugleich, und integriert in die Arbeit seine eigenen Werke, seine Kooperationen mit jüngeren KünstlerInnen und Arbeiten von Freunden. Als begründendes und letztes noch lebendes Mitglied des Künstlerkollektivs General Idea (1969–1994) blickt AA Bronson auf eine lange Geschichte mit politischen und sozialen Themenstellungen in der Kunst und im Verlagswesen wie auch mit der AIDS-Krise zurück. Seit damals hat er mit vielen Generationen von KünstlerInnen über viele Disziplinen hinweg zusammengearbeitet. In den letzten fünfzehn Jahren hat er sich in seinen Kooperationen und in seiner künstlerischen Produktion vor allem mit Spiritualität als zentralem Thema beschäftigt.
Die im Grazer Kunstverein inszenierte Sequenz aus Riten und Opferhandlungen, die von weisen Stammesältesten dirigiert wird – hier personifiziert durch AA Bronson selbst – erhält ihren Namen von Strawinsky und Nijinskys berüchtigt skandalösem Ballett von 1913. Themen wie Geist, Sexualität und Dunkelheit werden dabei in eine Labyrinthstruktur verwoben, die sich über alle Galerieräume erstreckt.
Ein überdimensioniertes Mandala aus Rosenblüten von Chrysanne Stathacos eröffnet die Ausstellung und ist die Zwillingsform einer ähnlichen Installation im Salzburger Kunstverein. Die Künstlerin installiert die Arbeit bei der Eröffnung, während sie mit der Öffentlichkeit spricht. Das Mandala wird von einer Arbeit von Yeonjune Jung umrahmt. Jungs What a Beautiful World! ist eine Wandtapeten-Installation, die Orte schwuler Traumata in London zeigt.
Michael Dudeck, FISH M/OTHER RE-MIX, 2013 © Matthias Herrmann
In der ersten einer Reihe von Galerien präsentieren AA Bronson und Scott Treleaven Cabine – ein Zelt, das gleichzeitig eine Umkleidekabine im Lido, eine Privatzelle in einer Schwulensauna und den Karneval-Stand eines Wahrsagers darstellt. Bei der Eröffnung wird Michael Dudeck in der Zeltstruktur eine intensive „durational performance“ inszenieren, die auf rituellen hebräischen Texten basiert. Auch Ashes to Ashes, die letzten Reste einer Performance von Nicolaus Chaffin und AA Bronson, welche die Geister der Toten im Magic Forest auf der Insel Fire Island in New York anruft, wird in dieser Galerie zu sehen sein. In diesem Wald ließen zahllose Männer, die an AIDS starben, ihre Asche ausstreuen. Blue von AA Bronson und Ryan Brewer verweist auf diesen Begriff der Invokation, indem Geister abgebildet werden, die den Wald durchwandern.
Die folgenden Galerien reflektieren durch die Arbeit von Elijah Burgher den Begriff des Rituals. Der Künstler konstruiert einen rituellen Raum aus Malereien magischer Sigillen. Auch die Arbeit von Igshaan Adams, der im Inneren eines Labyrinths aus Schleiern skandiert, beschäftigt sich mit diesem Thema. Die Porträts brennender Penisse und eine vom Genitalschutz eines Tänzers inspirierte Publikation, beide von Matthias Herrmann, ein eigens angefertigter Genitalschutz aus Bändern von Mark Jan Krayenhoff van de Leur, und K8 Hardys Untitled (Jockstrap Dress) reflektieren jeweils auf sehr eigene Weise den Begriff des Genitalschutzes als kulturelle, queere Reliquie anstatt als pseudo-athletisches Hilfsmittel. Die Ausstellung-in-der-Ausstellung, Queer Zines, versammelt mehr als 150 unabhängig voneinander publizierte queere Magazine von den 1970er-Jahren bis heute. Andere Arbeiten von Reima Hirvonen, JX Williams und AA Bronson vervollständigen die Auswahl.
Jede einzelne Arbeit gibt dabei einen Teil einer Erzählung wieder, einer Geschichte. Zusammen inszenieren sie das Bild einer heidnischen Romanze, eine Reihe von Riten, eine Opfergabe und die Zusammenkunft weiser Stammesältester.
Der Salzburger Kunstverein präsentiert:
AA Bronson’s Garden of Earthly Delights 19. September – 22. November 2015
Mit AA Bronson sowie Chrysanne Stathacos, Mark Jan Krayenhoff van de Leur, Keith Boadwee, Adrian Hermanides, Matthias Herrmann, Gareth Long, Ebe Oke und JX Williams.
AA Bronson präsentiert im Salzburger Kunstverein eine Meditation über das Spirituelle, das Erotische und den Schatten, jedes ein Aspekt des anderen. Die Ausstellung ist eine queere Reflexion über Hieronymous Boschs Triptychon „Garten der Lüste“, das ca. 1500 gemalt wurde. Dieses Bild wird hier ästhetisch mit Japans berühmtem Zen-Garten Ryoanji vermählt, der 1499 entstand. Beide Arbeiten – der gemalte Garten und der Steingarten – bieten uns eine Vision des Spirituellen als konstruiertes Universum an: Sie sind jedes für sich ein queeres Universum, das innerhalb dramatisierter Grenzen existiert, wie eine Schwulenbar oder ein Drag-Club.
Ständig ausgestellt
Ian Wilson 1. Februar 2013 –
Die Arbeit des Künstlers Ian Wilson (geb. 1940, Südafrika) weist eine auffällige Ähnlichkeit mit dem Selbstverständnis des Kunstvereins auf: Er will die Beziehung zwischen dem Gesehenen – oder Diskutierten – und der BetrachterIn erkunden und die Dringlichkeit dieser Interaktionen aufzeigen.
Wilson beschäftigt sich seit 1968 eingehend mit gesprochener Sprache als Kunstform. Er beschrieb seine Arbeiten als „mündliche Kommunikation“ und später als „Diskussion“. Auf Wilsons eigenen Wunsch wurde seine Arbeit nie gefilmt oder anders festgehalten, was die vergängliche Natur des gesprochenen Wortes bewahrte. Wilsons frühe künstlerische Explorationen fanden in völlig monochromen Umgebungen statt. Er war absorbiert von Fragen, die sich mit der Wahrnehmung und dem Gemälde beschäftigen. Die Arbeiten sind stark von den Innovationen der Minimal Art der späten 1950er- und 1960er-Jahre beeinflusst, mit ihrer Destillation der Malerei auf ungegenständliche Selbstreflexivität und ihrer Reduktion der Skulptur auf das reine Gerüst der industriell gefertigten, geometrischen Form ohne bestimmbaren metaphorischen Inhalt.
Wilsons letzte physische Objekte „Circle on the Floor“ und „Circle on the Wall“ entstanden zu Beginn des Jahres 1968. Bei der Produktion dieser Werke erkannte er, dass es zur Visualisierung eines Konzeptes nicht notwendig war, ein Objekt zu schaffen.
Um seine Bedeutung für das Programm zu unterstreichen, hat der Grazer Kunstverein dem Werk des Künstlers eine fortlaufende Einzelausstellung gewidmet. Die Präsentation zeigt unterschiedliche Werke aus verschiedenen Jahren, genauso wie auch die Dauerausstellung des beauftragten und erworbenen Werkes „Discussion“. Diese Diskussion über das reine Bewusstsein des Absoluten fand im Grazer Kunstverein am 4. Mai zwischen dem Künstler, dem damaligen Team und früheren DirektorInnen des Grazer Kunstvereins seit 1986 statt.
Ausgestellt „Discussion (Grazer Kunstverein)“, 2013 Schenkung von Stefan Stolitzka für die Sammlung des Grazer Kunstvereins.
The Peacock 1. Februar 2013 –
Der Grazer Kunstverein setzt seine Untersuchung über sein Interieur fort, indem er (neue) Möbelstücke sowie Design, angewandte und dekorative Künste präsentiert, die ihre eigene Funktionalität analysieren. „The Peacock“, wie diese Nonstop- Gruppenausstellung betitelt ist, wird von der Vorstellung eines Period Rooms inspiriert, der einen Augenblick in der Zeit definiert, wie auch vom Tier, dem Pfau, selbst (engl. „peacock“), der inneren und nach außen getragenen Stolz repräsentiert. Eine Gruppe von KünstlerInnen wird eingeladen, Arbeiten beizutragen, welche den genutzten Raum des Grazer Kunstvereins mit Designstücken und konzeptuellen Interventionen weiterentwickeln. (Teile dieser) Arbeiten werden noch einmal neu in Erscheinung treten und in kommenden Einzelausstellungen mit anderen in einen Dialog gestellt. Auf diese Weise bilden sie Rückgrat und Interieur des Kunstvereins.
Ausgestellt 26. September – 29. November 2015
Josh Faught „Dale, Tony, Bob, and Henry“, 2015
Für den Eingang des Grazer Kunstvereins entwickelte Josh Faught (geb. 1979, Vereinigte Staaten) eine Bronzeplakette mit den Namen Dale, Tony, Boy, and Henry. Die Arbeit begann als Frage. Was kann es bedeuten, den häufig vorkommenden Eigennamen eines Amerikaners zu nennen? Wie könnte diese einfache Form der Aufforderung als ein Weg dienen, jemanden oder etwas sichtbar zu machen, und inwiefern existiert diese Arbeit als körperliches Surrogat? „Dale, Tony, Boy, and Henry“ existieren zusammen mit einer ganzen Reihe „benannter“ Arbeit und basieren auf dem Interesse des Künstlers an queerem Archivmaterial. In diesen Archiven finden sich immer wieder nebeneinander aufscheinende Männernamen, die gleichzeitig ein Mittel sind, Begehren in Form von „Tricklisten“ zu erzeugen sowie eine Form des Gedenkens ähnlich dem NAMES–Projekt (AIDS Memorial Quilt) darstellen. Oder sie sollen einfach auf die einzigartige Weise, in der schwule Männer Intimität erzeugen und untereinander eine Verbindung herstellen, unterstützend wirken.
Courtesy des Künstlers, des Grazer Kunstvereins und der Galerie Lisa Cooley, New York
Nicolás Paris „Portable Garden“, 2009–2013
Von einem architektonischen Hintergrund stammend greift Nicolás Paris (geb. 1977, Kolumbien) häufig auf pädagogische Strategien zurück, um Elemente der Zusammenarbeit, des Dialogs und des Austausches in seine Arbeit zu integrieren. Um Ereignisse und Orte zu entwickeln, die den Austausch von Reflexionen ermutigen, basiert Paris’ Arbeit auf dem Konzept, zwischen dem Aufbau dialogischer Environments und dem oder der BetrachterIn, dem Ausstellungsraum und den Institutionen zu vermitteln.
Paris’ „Portable Garden“ besteht aus einem grünen Buntstift, auf dem der Werktitel eingraviert ist. Mit dem Stift verzeichnet das Personal des Kunstvereins die Besucheranzahl während der Ausstellung.
Courtesy des Künstlers und der Galeria Luisa Strina, São Paulo
Will Stuart „On the positioning of a replica of Michelangelo Pistoletto’s Struttura per parlare in piedi (Structure for talking while standing) 1965–66, from the series Oggetti in meno (Minus objects) reproduction“, 2012
An ausverhandelten Positionen präsentieren Will Stuart (Will Holder und Stuart Bailey) eine Nachbildung von Struttura per parlare in piedi, einer Arbeit von Michelangelo Pistoletto (geb. 1933, Italien), die zu seiner Serie von „Minus-Objekten“ gehört.
Die Arbeit wird von einer Bekanntmachung begleitet, welche die ursprünglichen Intentionen hinter der Arbeit wie auch die Frage untersucht, wie folgende Verhandlungen mit den verschiedenen Beteiligten den zweideutigen Zweck der Arbeit als Möbelstück (an das sich die Öffentlichkeit anlehnen kann) und Metapher (für Konversationspolitiken) reflektieren. Das Objekt ist ständiges Thema der Auseinandersetzung bei der Beschäftigung mit Raum und Funktion innerhalb des diskursiven Programms.
Michelangelo Pistolettos Werk wurde bereits 1988 im Grazer Kunstverein ausgestellt.
Courtesy die Künstler
Barbara Visser „Vereinvögel/Societybirds“, 2014 –
Die Räumlichkeiten des Grazer Kunstvereins sind ziemlich wörtlich transparent, denn die Fassade des Galerieraumes ist vollständig mit Fenstern bedeckt. BesucherInnen und PassantInnen spähen immer wieder ins Innere, um einen Blick auf die Ausstellungen oder Events zu erhaschen. Die holländische Künstlerin Barbara Visser (geb. 1966, Niederlande) erkundet diese Spannung zwischen Öffentlich und Privat in einer semi-permanenten Auftragsarbeit, die die gesamte Fassade des Kunstvereins einnimmt. Die Arbeit der Künstlerin befasst sich mit der unbestimmten Beziehung zwischen Aufzeichnung und Dramatisierung. Viele ihrer Arbeiten behandeln die Vorstellungen von Original und Kopie und werfen die Frage auf, ob diese Kopien „sich gut verhalten“ und dem Original gerecht werden, oder ob sie betrügerische Zeichen sind, welche das Original in einem Strudel der Täuschung verschlingen. Formal variiert die Arbeit sehr und rangiert von Fotografie, Film und Video zu gedruckten Materialien, zu Text und Performance, bleibt dabei aber immer wiederkehrenden Themen wie Authentizität und Künstlichkeit, Wahrnehmung und kulturelle Kodierung, Konvention und Ausnahme, Reproduktion und Dokumentation verhaftet. Indem bestehende Systeme auf verschiedene Weisen infiltriert und reflektiert werden, fordert die Künstlerin die Betrachtenden heraus, tief verwurzelte Wahrnehmungsgewohnheiten neu zu überdenken.
Courtesy die Künstlerin und Grazer Kunstverein
AA Bronson’s Sacre du Printemps wird mit steirischer herbst koproduziert und großzügigerweise von Weitzer Hotels und Hyperallergic unterstützt.
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