Orthogonal Methods Group (OMG)
Matters of Facts war eine Serie aus Workshops, Gesprächen und Filmvorführungen, die von der Orthogonal Methods Group (OMG) entwickelt wurde, um die Beziehung zwischen Fakten, Berechnung, Algorithmen, Poetiken und Politik zu ergründen. Die Serie untersuchte, auf welche Weise sich besondere Wissensformen als Teil einer Suche nach Wahrheit und/oder als Rechtfertigung für bestimmte Handlungen in der Welt darstellen. Die Serie warf Fragen auf und diente als Plattform für Gespräche über die Rolle von Mathematik, Bemessungen, Sprache und Statistik zur Beschreibung der Realität und Gestaltung der Gesellschaft, insbesondere im Hinblick auf computerisierte algorithmische Mediation und Kontrolle in den Leben der Menschen von heute.
Matters of Facts fand eine Woche lang vom 22.–25. Oktober 2018 im Grazer Kunstverein und im IZK-Institut für zeitgenössische Kunst, Technische Universität Graz statt und brachte WissenschaftlerInnen und Nicht-WissenschaftlerInnen aus verschiedenen Bereichen im Rahmen verschiedener Formate und Arbeitsmethoden zusammen. Die folgenden Texte dokumentieren drei der Workshops, die als Teil dieser Serie stattgefunden haben.
1. Engineering Fictions #3.18 von Jessica Foley
Für jede „Engineering Fictions“-Session dient ein Wort, Konzept oder Satz als Ausgangspunkt für interdisziplinäre Gespräche, Schreiben, Lesen und Zuhören. EF#3.18 wurde in Zusammenarbeit mit dem Forschungsprojekt „The Incomputable“ des IZK entwickelt und nahm das Wort ,unberechenbar’ [incomputable] als Ausgangspunkt. Als Katalysator für die Sitzung wollte ich mit der Gruppe Gespräche über zwei Aspekte ins Rollen bringen. Zunächst wollte ich überlegen, wie es sich anfühlt, ,unberechenbar’ zu sein, und zweitens wollte ich herausfinden, wie ich das Gefühl dieser ,Unberechenbarkeit’ äußern konnte. Ich wollte das ,Engineering Fictions‘-Zusammentreffen nutzen, um Beispiele in meinem eigenen Leben und/oder in den Leben anderer zu finden, in denen ich erlebt oder erfahren habe, was es heißt, ,unberechenbar’ zu sein.
Bei den Engineering Fictions-Treffen kommt es nicht unbedingt darauf an, Antworten zu generieren, sondern hier sollen wohl überlegte und die Diskussionen integrierende Fragestellungen durch einfache (dabei aber keinesfalls leichte) Methoden des Gesprächs, der Reflexion, der Improvisation und des Schreibens formuliert werden. Der Fokus liegt darauf, unser Gefühl für die Bedeutung und die Realitäten von Worten sowie für die Arbeit, die sie in der Welt verrichten, zu erweitern und reflexiv und reflektierend mit Sprache, Ideen und Wissen umzugehen. Es handelt sich dabei um nichts weniger als um eine (sehr sanfte), Klischees sprengende und Stereotypen zu Fall bringende Einrichtung, die Prozesse der Verfremdung (Revitalisierung des Empfindens von Worten) und der bewussten Wahrnehmung in kleinen, interdisziplinären Gruppen fördert.
Jede Sitzung entwickelt sich in fünf Phasen:
1. ABSTIMMUNG (Absichten durchkreuzen*, Versammeln, Trinken, Knabbern, Treffen, Sitzen, Warten)
2. SAMEN LEGEN (Anbieten, Vorschlagen, Laut-Denken, Hinterfragen, Improvisieren)
3. UNTERHALTEN (Zuhören, Laut-Denken, Fühlen, Spekulieren, Improvisieren, Hinterfragen, Reflektieren, Lachen)
4. SCHREIBEN (Einengen, Antworten, Artikulieren, Erkunden, Träumen, Verfremden)
5. TEILEN (Lesen, Zuhören, Einstimmen, bewusst Wahrnehmen)
2. Diagram Reading Group von Dennis McNulty
Diagramme dienen als wichtige Mechanismen für die Speicherung, Übertragung und Untersuchung von Konzepten und Information. In diesem Sinn können sie als ,kognitive Prothetik' beschrieben werden. Diagramme werden in vielen Forschungsfeldern verwendet, insbesondere in den Naturwissenschaften und im Ingenieurwesen. Die Diagram Reading Group (DRG) nutzt ein genaues Lesen der Diagramme als Mittel, sich auf interdisziplinäre Normen und Voreingenommenheiten einzulassen. Die DRG befasst sich mit Fragen wie:
Was ist ein Diagramm?
Wozu dienen Diagramme?
Wie funktionieren Diagramme?
Wie wird Raum dargestellt?
Wie wird Zeit dargestellt?
Wie werden Prozesse dargestellt?
Wie werden Beziehungen dargestellt?
Ist das Diagramm auch für jemanden lesbar, der mit den Inhalten nicht vertraut ist?
Gibt es disziplinäre Standards, die sich auf die Diagramme beziehen?
Gibt es Standardprotokolle für die Erzeugung oder das Lesen von Diagrammen?
Inwiefern ähneln Diagaramme Sprache oder nicht?
Ist es möglich, über eine Taxonomie der Diagramme nachzudenken?
Wie bei den meisten Lesezirkeln, die nach Art der traditionellen Humanwissenschaften organisiert sind, stellt die DRG eine Plattform für Diskussion und Interpretation zur Verfügung. Perspektiven werden ausgetauscht. Hypothesen herausgefordert. Daraus ergeben sich weitere Fragen.
3. Logic Gate Session von Tom O’Dea
Bei der Logic Gate Session versuchen wir, einen Algorithmus zu entwickeln, der die grundlegenden Schritte eines Workshops beschreibt, und bringen dabei sowohl die Ähnlichkeiten ans Licht, wie jeder einzelne funktioniert, wie auch die Schwierigkeit, sorgsam die ungeordneten, kontingenten und menschlichen Wege der Wissensproduktion zu beschreiben. Der Teil, der sich nicht so einfach definieren lässt, ist der Teil, der sich in der Beziehung zwischen jedem Teilnehmer und jedem Anderen entwickelt, mit der Gruppe, dem Kontext, der Müdigkeit, dem Hunger, der Angst, dem Trost, der Vertrautheit, der Zufriedenheit. Die Suche nach einem Algorithmus oder einem Diagramm zur Definition des Funktionierens solch komplexer Gruppenbeziehungen ist endlos komplex – es ist nicht nur schwierig, dies innerhalb der digitalen Maschinen von Computern zu berechnen, sondern genauso schwierig, sie in Diagramme einzuordnen und im Gespräch oder auf Papier zu beschreiben.
|