Herbst im Grazer Kunstverein
23. September – 17. November 2017
Eröffnung: Samstag, 23. September, 18.30 Uhr
The Seed Eaters Performances:
23., 24., 25., 26., 27. September, 19:30 Uhr
Neu beauftragt:
Emily Mast
Ausgestellt:
Ruth E Lyons
Fiston Mwanza Mujila
Edward Clydesdale Thomson
Céline Condorelli
Chris Evans mit Morten Norbye Halvorsen
Fiona Hallinan
Isabella Kohlhuber
Isabel Nolan
Adam Zagajewski
Reflektiert:
Ernst Fischer
In dieser Saison verwandelt Emily Mast den Grazer Kunstverein mit ihrer Arbeit The Seed Eaters – einem experimentellen Stück und einer Ausstellung, die von steirischer herbst co-produziert werden.
Inspiriert von dem merkwürdigen und manchmal gefährlichen Raum, der Fremde voneinander trennt, sät The Seed Eaters Verbindungen zwischen Menschen, um so in einem gesellschaftlichen und politischen Augenblick, in dem die Welt auseinanderzufallen scheint, Kollusionen, Teamwork und blinde Hoffnung hervorzurufen. Die Arbeit ermutigt durch kollektive Enderfahrungen zu Mitgefühl – das über fortlaufend neue Anfänge inszeniert wird. Als Meditation über Abschlüsse erzeugt und erhält The Seed Eaters einen Raum, in dem Sprache, Objekte, Instruktionen und die Persönlichkeiten von TeilnehmerInnen gleichwertig sind, wenn auch nur einen Augenblick lang, bevor wieder alles von vorne beginnt.
Das künstlerische Programm der verschiedenen Jahreszeiten im Grazer Kunstverein ist akkumulativ aufgebaut. Diese neue Produktion The Seed Eaters ist inmitten von Spuren existierender Arbeiten von Ruth E Lyons (Women’s Wear for Worldly Work), Fiston Mwanza Mujila (Le Fleuve dans le Ventre / Der Fluss im Bauch), Edward Clydesdale Thomson (The Coming Garden), Céline Condorelli (Things That Go Without Saying), Chris Evans und Morten Norbye Halvorsen (Jingle), Fiona Hallinan (Fink’s), Isabella Kohlhuber (Space for an Agreement), Isabel Nolan (The Provisory Rug, adaptable for past, present and future. [For Marie Lieb]), und Adam Zagajewski (We Know What Art Is) zu sehen. Das Jahresprogramm wurde unter dem Leitmotiv „Von der Notwendigkeit der Kunst“ – inspiriert von dem Autor, Politiker und engagierten Antifaschisten Ernst Fischer – zusammengestellt.
Außenansicht, Emily Mast The Seed Eaters, neue Auftragsarbeit für Herbst 2017, Grazer Kunstverein, Foto von Christine Winkler.
Emily Mast, The Seed Eaters, neue Auftragsarbeit für Herbst 2017, Céline Condorelli, Things That Go Without Saying, ausgestellt für Herbst 2017, Grazer Kunstverein, Foto von Christine Winkler.
Emily Mast
The Seed Eaters, 2017
Emily Mast arbeitet mit einer vielköpfigen Besetzung und hat für den Grazer Kunstverein ein eigenes neues Stück kreiert, das in einem breiteren räumlichen und temporalen Rahmen aufgeführt wird als es normalerweise innerhalb der Konventionen eines Theaters möglich ist.
Das experimentelle Stück entfaltet sich sowohl als Serie geplanter oder spontaner Performances wie auch als Ausstellung, die für sich selbst stehen kann. Abstrakt gesehen geht es in der Arbeit um Mitgefühl – das im Rahmen einer rotierenden Navigation von Abschlüssen erkundet wird. Von dem Augenblick an, als ein Mond im Tageslicht verschwindet, bis zu einer quälenden Lebens- oder Todesentscheidung und den letzten Tagen einer Agave oder dem letzten Tanz, dem letzten Willen und Testament des eigenen Schwiegervaters der Künstlerin erkundet The Seed Eaters das Potenzial und die Kapazität von „Beendigungen“ – als transformatorische Augenblicke –, um reale Emotionen zwischen Fremden in der gegenwärtigen Zeit zu inszenieren.
Emily Mast, Ausstellungsansicht von The Seed Eaters, neue Auftragsarbeit für Herbst 2017, Grazer Kunstverein, Foto von Christine Winkler.
Emily Mast, #8 Slow Dance, The Seed Eaters, neue Auftragsarbeit für Herbst 2017, Grazer Kunstverein, Foto von Christine Winkler.
Emily Mast, #13 Last Bite, The Seed Eaters, neue Auftragsarbeit für Herbst 2017, Grazer Kunstverein, Foto von Christine Winkler.
Emily Mast, #14 Credits, The Seed Eaters, neue Auftragsarbeit für Herbst 2017, Grazer Kunstverein, Foto von Christine Winkler.
Emily Mast, #9 Swimsuit, The Seed Eaters, neue Auftragsarbeit für Herbst 2017, Grazer Kunstverein, Foto von Christine Winkler.
Das Drehbuch wurde in Zusammenarbeit mit der Drehbuchautorin Rachel Kauder Nalebuff entwickelt, die Musik in Kollaboration mit dem Perkussionisten Manuel Alcaraz Clemente (Schallfeld Ensemble) konzipiert, die Kleidungsstücke wurden mit der Tänzerin und Kostümbildnerin Nikii Henry entworfen und die Rezepte in Zusammenarbeit mit Fiona Hallinan (Fink’s) erdacht.
Während der ersten fünf Ausstellungsabende finden jeden Abend Live-Performances sowohl auf Englisch wie auf Deutsch statt. Die fünfzehn Ensemble-Mitglieder der Eröffnung wohnen alle in Graz und wurden ausgewählt, obgleich sie scheinbar wenig gemeinsam haben.
Nach den Live-Performances und für die Restdauer der Ausstellung sind die BesucherInnen der The Seed Eaters eingeladen, die Ausstellung in ihrem eigenen Tempo zu erkunden und werden ermutigt, die Rollen der abwesenden SpielerInnen zu verkörpern. Auf diese Weise bringen sie Leben in eine personalisierte Version des Stückes. Dies geschieht, indem sie sich in die numerische Abfolge der verschiedenen Teile des Stückes hinein- oder aus ihr herausbewegen, die gedruckten Anleitungen laut oder zu sich selbst lesen und die vorgeschlagenen Handlungen so ausführen, wie sie ihnen passend erscheinen. Bitte nutzen Sie die Requisiten, aber ersetzen Sie sie bitte auch, wo sie Ihnen nicht mehr brauchbar erscheinen. Wenn Sie gerne Unterstützung hätten oder einen anderen Spieler oder zwei beteiligen würden, wenden Sie sich bitte an ein Teammitglied.
Die Stationen (oder Szenen) sind folgendermaßen betitelt und nummeriert:
#1 Einschlaflied
#2 Backstage
#3 Mond | Orgasmus | Eisberg
#4 Verneigung
#5 Im Anschluss
#6 Eingriff
#7 Ich Will
#8 Stehblues
#9 Badeanzug
#10 Teds Testament
#11 Anmerkungen
#12 Das Heilmittel
#13 Letzter Bissen
#14 Credits
#15 Schimpftirade
#16 Blüte
#17 Die Rolle
Emily Mast, #15 Bloom, The Seed Eaters, neue Auftragsarbeit für Herbst 2017, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler.
Emily Mast, #14 Rant und #17 The Roll, The Seed Eaters, neue Auftragsarbeit für Herbst 2017, Grazer Kunstverein, Foto von Christine Winkler.
Die folgenden Personen trugen alle zur Entwicklung und Realisierung von The Seed Eaters bei: Alejandro Medina, Alex Binder, Alexander Borinsky, Alexandra Pink, Alfred Annawitt, Amela Rendic, Anja Mörk, Anna Lackner, Annette Weisser, Ben Lasman, Charlotte Dalia, Chris Kern, Christel Gurke, Christina Simmerer, Christine Winkler, Christoph Glanzer, David Downs, David Reumüller, Dennis Ferescu, Dirk Heinrich, Elisabeth Steiner, Emily Mast, Enzo Sartori, Eric Mast, Eva Helene Stern, Eva Spitzer, Evan Mast, Fiona Hallinan, Gabriella Rhodeen, Garrett Hallman, Hannah Kren, Hazel Haendel, Istvan Gardos, Julia Holzer, Jürgen Fuchs, Karl Haendel, Kate Strain, Kim Zumpf, Laurelin Kruse, Lena Dragoljic, Linda Konrad, Lucas Littlejohn, Lukas Messner, Manuel Alcaraz Clemente, Margot Maass-Goettsberger, Mark Allen, Marko Gluhaich, Martha Mast, Marwin Strutz, May Rigler, Merkel, Monika Schabus, Nikii Henry, Oliver Lyons, Rachel Kauder Nalebuff, Rron Karahoda, Senada Kaltak, Sinisa Savić, Tanja Gurke, Ted Haendel, Terrence Luke Johnson, Thomas Raggam, Tim Reid, Victoria Dejaco, Wera Köhler, Zoe Kauder Nalebuff, und Ihr Name.
Emily Mast wurde 1976 in Akron, Ohio, geboren. Ihre Performances wurden unter anderem an folgenden Orten präsentiert: The Irish Museum of Modern Art, Dublin (2017); the Power Plant Contemporary Art Gallery, Toronto (2016); La Ferme du Buisson, Noisiel (2015); China Art Objects Galleries, Los Angeles (2015); Mona Bismarck American Center, Paris (2015); Silencio, Paris (2015); Los Angeles County Museum of Art (2014); The Hammer Museum LA (2014); Night Gallery, Los Angeles (2014); Robert Rauschenberg Foundation Project Space, New York (2013); Public Fiction, Los Angeles (2012); REDCAT, Los Angeles (2012); MUHKA, Antwerp (2011); Human Resources, Los Angeles (2010) and Performa, New York (2009).
The Seed Eaters ist co-produziert mit steirischer herbst 2017.
Fiona Hallinan, Fink’s fortlaufende Auftragsarbeit für Herbst 2017, Grazer Kunstverein, Fotografie von Christine Winkler.
Edward Clydesdale Thomson, Reluctant Soft Furnishings und Isabella Kohlhuber, untitled (table) als Teil von Space for an Agreement, ausgestellt für Herbst 2017, Grazer Kunstverein, Foto von Christine Winkler.
Ernst Fischer
Von der Notwendigkeit der Kunst, 1959
Ernst Fischer wurde 1899 im böhmischen Komotau geboren. Er starb 1972 im Haus der drei Feuerlöscher-Schwestern, das jetzt als Prennings Garten in Deutschfeistritz bekannt ist, ein wenig außerhalb von Graz. In jüngeren Jahren studierte Fischer Philosophie in Graz, bevor er sich der Belegschaft der Arbeiter-Zeitung anschloss, wo er bis 1934 blieb. Danach wurde er Mitglied der kommunistischen Partei, und 1945 war er entscheidend daran beteiligt, eine Landesregierung in Österreich zu etablieren, wo er kurzzeitig die Rolle des Bildungsministers übernahm. Fischer war außerdem Gründer und Chefredakteur von Neues Osterreich. Ab den späten 1950er-Jahren engagierte er sich mehr für die literarische Welt und produzierte Bücher und Stücke, die die Bedeutung von Kultur für den Klassenkampf widerspiegelten, seine frühen Erfahrungen als Exilant und Freiheitskämpfer und die Notwendigkeit der Kunst.
1959 publizierte Fischer sein Buch Von der Notwendigkeit der Kunst. Darin erkundete er, warum Kunst trotz der Traumata und Nöte des Alltags so wichtig ist. Fischer war ein virulenter Gegner des Faschismus und der Nazis und kämpfte zunächst auf dem Weg des Sozialismus, dann über den Kommunismus und zog sich schließlich in die Kunst und Kultur als Ort der Wiederbesinnung und des Widerstands zurück. Als spiritueller Wegweiser durch das Jahr 2017 finden Fischers Schriften, Gedanken und sein Einfluss eine neue frische Resonanz, in dem sie das künstlerische Programm anregen und neue Aufträge und Kunstwerke inspirieren. In der zweiten Hälfte des Jahres 2017 wird die erste Reseacher-in-Residence des Grazer Kunstvereins, Anousheh Kehar, einen Text entwickeln, der Fischers Rückzug weg vom politischen Leben in die Kultur erkundet. Dies folgt einer Konferenz, die Teil des Sommerprogramms war und wo Vortragende wie Marina Fischer-Kowalski, Eugen Gross, Ludwig Hartinger und Karl Wimmler aufzeigten, wie Aspekte des bedeutenden Erbes Fischers auch heute noch inspirierend wirken.
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