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Winter im Grazer Kunstverein
7. Dezember 2017 – 18. Februar 2018

Eröffnung: Donnerstag, 7. Dezember 2017, 19 Uhr

Neu beauftragt:
Isabel Nolan
Ola Vasiljeva

Ausgestellt:
Emily Mast
Ruth E Lyons
Fiston Mwanza Mujila
Edward Clydesdale Thomson
Céline Condorelli
Chris Evans with Morten Norbye Halvorsen
Fiona Hallinan
Isabella Kohlhuber
Isabel Nolan
Adam Zagajewski

Reflektiert:
Ernst Fischer

Von der Notwendigkeit der Kunst von Ernst Fischer war das Leitmotiv des saisonal organisierten, künstlerischen Programms des Grazer Kunstvereins im Jahr 2017. Fischer, ein Autor, Politiker und engagierter Antifaschist, glaubte, dass die Kunst im Besitz des Schlüssels sei, mit dessen Hilfe wir die Welt um uns herum wahrnehmen, verstehen und schließlich verändern können. So befasst sich auch dieses Programm mit Fischers Konzept der Kunst als lebendigem Prozess dafür, das Abstrakte auf eine Weise auszudrücken, welche die Realität grundlegend verändert, gegründet auf der Überzeugung, dass Kunst immer schon, noch immer und auch in Zukunft notwendig sei und sein wird.

In unserer Wintersaison freuen wir uns, zwei neue Ausstellungen von Isabel Nolan und Ola Vasiljeva zu präsentieren. Diese Ausstellungen werden inmitten all der Spuren, Entwicklungen und Rekonfigurationen des breiter angelegten künstlerischen Programms mit einer Sammlung von Werken von Emily Mast (The Seed Eaters), Ruth E Lyons (Women’s Wear for Worldly Work), Fiston Mwanza Mujila (Le Fleuve dans le Ventre / Der Fluß im Bauch), Edward Clydesdale Thomson (The Coming Garden), Céline Condorelli (Things That Go Without Saying), Chris Evans und Morten Norbye Halvorsen (Jingle), Fiona Hallinan (Fink’s), Isabella Kohlhuber (Space for an Agreement) und Adam Zagajewski (We Know What Art Is) zu sehen sein.



Isabel Nolan, Ausstellungsansicht von Curling Up With Reality, Winter 2017, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler.


Isabel Nolan, Detailansicht von Tomb (Memory Wheel), als Teil von Curling Up With Reality, Winter 2017, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler.


Isabel Nolan 
Curling Up With Reality, 2017

Eine komplette Werkliste ist separat verfügbar Isabel Nolans Solopräsentation neuer und jüngerer Arbeit stellt sich die Gewölberäume des Grazer Kunstvereins als Krypta oder säkulare Kapelle des in Ungnade gefallenen Dominikanermönchs und, säkularen Mönchs und kosmologischen Theoretikers Giordano Bruno vor. Zum Ende des 16. Jahrhunderts entwickelte Bruno ein mentales Erinnerungssystem, das, so glaubte er, alles Wissen des Universums umfassen und ordnen könnte. Mit (Tomb) Memory Wheel (2017) – einer aufgehängten Stahlskulptur, die aus konzentrischen Kreisen besteht, auf denen bunte, feine und unregelmäßig geformte, knochenartige Objekte liegen – hat Nolan ein Ossarium erdacht. Dieses Werk ist Brunos Erinnerungssystem und seiner weitgehend nicht anerkannten, anachronistischen, Vision eines unendlichen Universums gewidmet, in dem alle Materie und auch alle Menschen zu gleichen Teilen mit Göttlichkeit und Würde durchdrungen sind.

In der gesamten Ausstellung werden der Tod und die Kunst als kraftvolle formende Kräfte der Wirklichkeit dargestellt. Eine Serie aus Fotografien, die sich zum größten Teil mit Füßen beschäftigt (menschlichen und tierischen, lebendigen und toten), mit menschengemachten Böden und Bordsteigen offenbaren das Interesse der Künstlerin, nach unten anstatt nach oben zu schauen. Ob sie sich nun die hochfliegenden Gedanken unglaubwürdiger Philosophen oder die umgedrehten Sohlen von Begräbnisskulpturen vorstellt, Nolans Arbeit untersucht darin, wie das Universum im menschlichen Geist Bedeutsamkeit erhält und wie die intime Natur des direkten Kontaktes mit der Welt und mit körperlicher Tiefe auf unerwartete Weise jenen Verständnisprozess aufhalten kann.



Isabel Nolan, Ausstellungsansicht von Curling Up With Reality, Winter 2017, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler.


Isabel Nolan, Ausstellungsansicht von Curling Up With Reality, Winter 2017, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler.


Isabel Nolan (geb. 1974, Dublin, Irland) arbeitet mit Skulpturen, Textilien, Fotografien und Text, um Augenblicke (materielle, temporale oder andere) zu beschreiben oder zu offenbaren, die aus dem fundamentalen Bedürfnis des Menschen entspringen, die Welt als bedeutsam zu erleben. Zukünftige Einzelausstellungen sind: San Antonio Museum of Art, Texas, und Kunstverein Langenhagen (2018). Kürzlich fanden Einzelausstellungen unter anderem in Another View From Nowhen, London Mithraeum Bloomberg SPACE, Calling on Gravity in der Douglas Hyde Gallery, Dublin, und The weakened eye of day, die vom Irish Museum of Modern Art, Dublin (2014), zu Mercer Union, Toronto, und CAG, Vancouver (2016), reiste; A Thing Is Mostly Space, Launch Pad New York (2015); The Model, Sligo (2011), danach gezeigt im Musée d’art moderne de Saint Etienne, France (2012); The Return Gallery, Goethe Institute, Dublin (2012–13); Gallery 2, Douglas Hyde Gallery, Dublin (2008), und Project Arts Centre, Dublin (2005), statt.



Ola Vasiljeva, Ausstellungsansicht von Vom Verfall der Prunkstücke, Winter 2017, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler.


Ola Vasiljeva, Detailansicht von Mr. Krop is not at home, Winter 2017, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler.


Ola Vasiljeva 
Vom Verfall der Prunkstücke, 2017

Ola Vasiljevas Arbeit erzählt Geschichten. Geschichten, die aber zu keiner einzelnen Entität gehören, sondern sich sanft durch Objekte entfalten. Bei einem Spaziergang in Graz begegnete die Künstlerin einem großen, zugenagelten Gebäude aus dem 16. Jahrhundert auf dem Kaiser-Franz-Josef-Kai. Sie verliebte sich in die Fenstergitter, die das Innere vor dem Blick der PassantInnen schützen, und begann, neue skulpturale Arbeiten zu entwickeln, die sich selbst weder verstecken noch offenbaren – Objekte, die so „aussehen als ob“, sich aber nie völlig festlegen und irgendwo gerade noch wiedererkannt werden können. Vasiljeva „spricht“ mit Materialien durch starke Linien, übertriebene Merkmale und grobe Formen. Die von ihr heraufbeschwörte Magie befindet sich jedoch genau in dem, was unausgesprochen bleibt und daher ihrer Arbeit wirkliche Bedeutsamkeit verleiht.

Die Künstlerin präsentiert in unserer Wintersaison ein Arrangement jüngerer und neu produzierter Arbeiten, die den Raum zwischen einem Augenblick und dem nächsten bewachen. Eine weitere Arbeit der Künstlerin befindet sich im Fenster jenes Hauses, das sie für diese Ausstellung inspiriert hat. Das Werk kann am Kaiser Franz Josef Kai 36 gesehen werden, dies wurde freundlicherweise vom Hausbesitzer ermöglicht.



Ola Vasiljeva, Ausstellungsansicht von The Decline of the Showpieces, Winter 2017, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler.


Ola Vasiljeva, Ausstellungsansicht von The Decline of the Showpieces, Winter 2017, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler.


Ola Vasiljeva (geb. 1981, Ventspils, Latvia) entnimmt historische Fragmente und Literatur um imaginäre Schwellen zu errichten, bei denen Skulptur, Zeichnung, Video und gefundene Objekte auf einer Art Spielplatz zusammenkommen. Vasiljeva, die in Den Haag, Niederlande, lebt, absolvierte die HKU und 2009 die Rijksakademie van beeldende kunsten, Amsterdam. Künftige Ausstellungen sind unter anderem Qualcuno si è seduto sulla mia sedia, Quartz Studio, Torino, und Ola Vasiljeva mit Matthew Lutz-Kinoy in Indipendenza, Rome (2018). Kürzlich fanden u.a. folgende Einzelausstellungen statt: The Dong with the Luminous Nose, Galerie Fons Welters, Amsterdam, 2017, Gold Is the Metal With the Broadest Shoulders, Supportico Lopez, Berlin, 2017, Zefiro Torna, Passarelle CAC, Brest, 2017, You’ve got beautiful stairs, you know, Kunstverein München, Munich, 2016, Coeurtregetour, Galerie Antoine Levi, Paris, 2016, En Rachâchant, Vleeshal Markt, Middelburg, 2015, The Limp of A Letter, BOZAR, Brussels, 2015, und Prix de Rome, De Appel, Amsterdam, 2013. Vasiljeva gründete OAOA (The Oceans Academy of Art), ein gemischtes Künstlerkollektiv, das als Plattform für Ideen zu Kunst und Kultur und deren Präsentation fungiert. Sie wird von Antoine Levi, Paris, und Supportico Lopez, Berlin, vertreten.



Ola Vasiljeva, Who Sat On My Chair?, Winter 2017, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler.


Ola Vasiljeva, Ausstellungsansicht von The Decline of the Showpieces, Winter 2017, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler.


Ernst Fischer 
Von der Notwendigkeit der Kunst, 1959

Ernst Fischer wurde 1899 im böhmischen Komotau geboren. Er starb 1972 im Haus der drei Feuerlöscher Schwestern, das jetzt als Prennings Garten in Deutschfeistritz, ein wenig außerhalb von Graz, bekannt ist. In jüngeren Jahren studierte Fischer Philosophie in Graz, bevor er sich der Belegschaft der Arbeiter-Zeitung anschloss, wo er bis 1934 blieb. Danach wurde er Mitglied der kommunistischen Partei und war 1945 entscheidend daran beteiligt, eine Landesregierung in Österreich zu etablieren, wo er kurzzeitig die Rolle des Bildungsministers übernahm. Fischer war außerdem Gründer und Chefredakteur von Neues Österreich. Ab den späten 1950erJahren engagierte er sich mehr für die literarische Welt und produzierte Bücher und Stücke, die die Bedeutung von Kultur für den Klassenkampf, seine frühen Erfahrungen als Exilant und Freiheitskämpfer und die Notwendigkeit der Kunst widerspiegelten.

1959 publizierte Fischer sein Buch Von der Notwendigkeit der Kunst. Darin erkundete er, warum Kunst trotz der Traumata und Nöte des Alltags so wichtig ist. Fischer war ein virulenter Gegner des Faschismus und der Nazis und kämpfte zunächst auf dem Weg des Sozialismus, dann über den Kommunismus und zog sich schließlich in die Kunst und Kultur als Ort der Wiederbesinnung und des Widerstands zurück. Als spiritueller Wegweiser durch das Jahr 2017 finden Fischers Schriften, Gedanken und sein Einfluss eine neue frische Resonanz, in dem sie das künstlerische Programm anregen und neue Aufträge und Kunstwerke inspirieren.