Frühling/Sommer im Grazer Kunstverein
Tai Shani
Tragodía
13. März – 4. September 2020
Tai Shani, Tragodía, Frühling/Sommer 2020 im Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler.
Tai Shani arbeitet in ihrer multidisziplinären, künstlerischen Praxis mit den Medien Skulptur, Installation, Performance, Bewegtbild, Text, gesprochenem Wort und virtueller Realität. Mit den Formen von Science- Fiction, Anthropologie, feministischer und queerer Theorie verzerrt Shani Tatsachen und Fiktion, imaginiert kulturelle Archetypen neu und interpretiert ihre Narrative mit Erotik, Gewalt und Fantasie. In ihrer neu beauftragten Arbeit Tragodía denkt sie über die Themen Verwandtschaft, Fürsorge, Sterblichkeit und Intimität nach und erkundet dabei die Frage, inwiefern Intimität ein Ort für radikale Transformation sein kann. Shani hat ein episches virtuelles Reality-Stück mit Sounddesign von Maxwell Sterling entwickelt, in dem wichtige persönliche und philosophische Ideen thematisiert werden. Shani verwendet dabei das narrative Mittel der virtuellen Realität und kombiniert dieses mit erlesenen skulpturalen Artefakten, die wie Requisiten über eine traumähnliche Landschaft gelegt sind. So untersucht die Künstlerin die Konstruktion von Subjektivität, familiäre Beziehungen und die Zentralität von Liebe und Tod in einer post-patriarchalen Realität.
Tai Shani, Detail von Tragodía, Frühling/Sommer 2020, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
In Tragodía hält der Tod alles zusammen. Shani kreiert hier – in Form eines virtuellen Reality-Stücks, das sich im Zusammenspiel mit einer erlesenen skulpturalen Installation entwickelt – ein spekulatives Portal, das in den unbekannten Raum zwischen Leben und Tod hineinreicht, in dem Verwandtschaft, Intimität, Liebe und die Ganzheit des Daseins in einer lebendigen Nahaufnahme kontempliert werden können.
Tai Shani, Detail von Tragodía, Frühling/Sommer 2020, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Tai Shani, Detail von Tragodía, Frühling/Sommer 2020, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Das Stück erzählt die Geschichte des tragischen Todes eines Einzelkindes, das nach einem brutalen Autounfall stirbt. Sie lässt nach ihrem Tod ihre ihr eng verbundenen Angehörigen zurück: Großmutter, Tante, Mutter und Oedipuss die Katze, die alle von der Gewalt der Trauer und Liebe zu ihr erschüttert sind. Durch das narrative Mittel der virtuellen Realität erfahren wir das Stück aus der inneren Perspektive des sterbenden Geistkinds, das in einem Traumreich irgendwo zwischen unserem eigenen Körper, dessen posthumaner Existenz und dem metaphysischen Jenseits schwebt. Gleichzeitig, als atmende Köper in der materiellen Welt, sind wir im Ausstellungsraum von einer sakralen lilafarbenen Landschaft aus Gegenständen umgeben; Totenmasken, Amulette, Relikte, Talismane, Knochen, Haar und Kristalle liegen verstreut über einer Schaltkarte aus Verbindungen. Diese uralte archäologische Ruine wird zu einer Begräbnisstätte für das verstorbene Kind und seine Lieben, die sich angestrengt bemühen, in einer greifbaren, konkreten Realität alle möglichen Zukunftsaussichten und Vergangenheiten zusammenzuhalten.
Tai Shani, Detail von Tragodía, Frühling/Sommer 2020, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Shani ist Künstlerin, Welterschafferin und Seherin alternativer Realitäten. Ihre Vision einer post-patriarchalen, feministischen Zukunft schafft Raum für neue Subjektivitäten und wirft mit Dringlichkeit und Hoffnung Licht auf ein mögliches Morgen.
Tai Shani (geboren 1976) ist eine in London lebende Künstlerin. Inspiriert von historischen Charakteren und Narrativen erschafft Shani dunkle utopische Welten und sucht nach Femininität, während sie darüber nachdenkt, was von der Geschichte der Femininität gerettet werden kann. 2019 gehörte sie zu den vier KünstlerInnen, denen der prestigeträchtige Turner Prize verliehen wurde. Shani hat ihre Arbeit weiträumig im United Kingdom und im Ausland präsentiert, zu ihren jüngsten Ausstellungen und Aufträgen gehören die Netwerk Aalst (2019), die Fondazione Sandretto Re Rebaudengo (2019), die Biennale in Athen, (2018), die Nottingham Contemporary (2018), das Glasgow International (2018), Wysing Arts Centre (2017), die Tensta Konsthall, Stockholm (2016), die RADAR commission, Loughborough University (2016), die Serpentine Galleries (2016), die Tate Britain (2016), die Schirn Kunsthalle, Frankfurt (2015), das Southbank Centre, London (2014–15), das Arnolfini, Bristol (2013), die Matt’s Gallery, London (2012), das FRAC Nord-Pas de Calais sowie das Loop Festival, Barcelona (2011), The Barbican, London (2011), ICA, London (2011). Shanis Ausstellung im Grazer Kunstverein stellt ihre erste Show in einer Institution in Österreich dar.
Tragodía Credits: Soundtrack: Maxwell Sterling. SynchronsprecherInnen: Geistkind: Maya Lubinsky, Großmutter Eve, Mutter, Tante: Eva Eklöf, Oedipuss die Katze: Dasha Loyko. VR Production: partyTime.jpeg (Adam James Sinclair, Mikhail Polshaw). Gesichtsperformance: Lotti V Closs.
Koproduktion mit Temple Bar Gallery + Studios, Dublin, und Jindřich Chalupecký Society, Tschechien.
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