Frühling im Grazer Kunstverein
9. März – 19. Mai 2018
Carl Johan Högberg
She Who Speaks
Carl Johan Högberg, Ausstellungsansicht von She Who Speaks, Frühling 2018, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Carl Johann Högberg hat die Hauptgalerie des Grazer Kunstvereins in einen Raum für eine Séance verwandelt. Mit Gemälden, die sich auf kunsthistorische Persönlichkeiten von Max Ernst (mit einer doppelten Darstellung von Le Génie de la Bastille) bis Henry Moore (mit drei eindringlichen Interpretationen des Engelsgesichts einer sich zurücklehnenden Bronzeskulptur) beziehen, ist Högberg nicht nur interessiert an „Derjenigen, die spricht“, sondern auch an „Demjenigen, der interpretiert“.
Carl Johan Högberg, Ausstellungsansicht von She Who Speaks, Frühling 2018, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Hélène Smith (1861–1929) ist die treibende Kraft hinter der Ausstellung und war die Inspiration für die Entstehung jeder ihrer hier gezeigten Arbeiten. Sie selbst war eine faszinierende Persönlichkeit, eine äußert bekannte Hellseherin in der Schweiz des 19. Jahrhunderts, die zu einer besonders gefragten Muse für surrealistische KünstlerInnen von Paris bis Genf wurde. Es ist bekannt, dass sie Séancen veranstaltete, in denen sie in fremden Zungen sprach, Botschaften von Toten übermittelte und Charaktere wie die selige Hinduprinzessin Simandini und die todgeweihte französische Königin Marie Antoinette verkörperte. Smith präsentierte der Welt den ersten umfangreichen Überblick über die Sprache der MarsianerInnen.
Carl Johan Högberg, Ausstellungsansicht von She Who Speaks, Frühling 2018, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Die fantastischen Visionen von Hélène Smith und ihre wogenden, tranceinduzierenden Nacherzählungen dieser Vorstellungen weckten große Neugierde in den künstlerischen und spirituellen Kreisen jener Zeit. Einer dieser Bewunderer und späteren Deuter war Théodore Flournoy. 1899 veröffentlichte er seine Studie From India to the Planet Mars (Von Indien zum Planeten Mars), die Smiths spirituelle Behauptungen als fantasievolle Romanzen verurteilte, die angeblich nur dazu dienten, andere zu beeindrucken. Interessanterweise führte dies zur Entwicklung von Smiths eigener malerischer Weiterentwicklung als Künstlerin, da sie nun versuchte, ihre eigenen Visionen nach außen zu vertreten und Flournoys wenig schmeichelhafte Deutungen eher visuell als mit Worten entgegenzutreten.
Carl Johan Högberg, Details von She Who Speaks, Frühling 2018, Grazer Kunstverein. Bildcourtesy der Künstler.
Die Zeiten überbrückend geht Högberg eine Verbindung mit der verlorenen Stimme Smiths ein und hinterfragt auf diese Weise die Berechtigung einer durch die Zeiten reichenden Auseinandersetzung mit ihrer Legende und die Tatsache, dass der künstlerische Raum durch Gemälde, Wandteppiche und fahrbare Wände ein zeitgenössisches Medium ihrer Geschichte wird, deren Wahrheitsgehalt nach wie vor offen für Deutungen ist.
Carl Johan Högberg, Ausstellungsansicht von She Who Speaks, Frühling 2018, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Carl Johan Högberg (geb. in Eskilstuna, Schweden, 1979) arbeitet mit Malerei, Textil und Installation und erforscht dabei spezifische Situationen, um Ideen rund um Wissen, Macht und menschliches Befinden offenzulegen. In seiner Arbeit fragt Högberg oft, ob es möglich ist mit jemand anderem oder im Auftrag von jemand anderem zu sprechen – empfunden durch ein verwandtschaftliches Verhältnis in historischer Zeit. Zwischen interpretativen Registern pendelnd begibt er sich in Situationen, in denen die Vernunft den Aberglauben überwunden hat, aber die Fiktion dennoch die Tatsachen überlebt. Högberg studierte an der Gerrit Rietveld Academie und bei De Ateliers in Amsterdam. Einzelausstellungen umfassen: Galerie Ron Mandos, Niederlande (geplant); Hordaland Kunstsenter, Norwegen (2015); Galleri Christian Larsen, Schweden (2013); BIS71, Niederlande (2011) und SMART Project Space, Niederlande (2009). Gruppenausstellungen u. a.: Salzburger Kunstverein (geplant); Image Drain, Estland (2017); Nest, Niederlande (2016); LIAF, Lofoten, Norwegen (2015); Palais de Tokyo, Frankreich (2013); Dordrechts Museum, Niederlande (2011) und Bonniers Konsthall, Schweden (2010). Studienaufenthalte absolvierte er in IASPIS, Stockholm, Schweden; Hordaland Kunstsenter, Bergen, Norwegen und im Künstlerhaus Bethanien, Berlin, Deutschland. Er erhielt den Royal Dutch Painting Prize, das Elice Erlandssons Stipendium und einige Förderungen u. a. von Mondriaan Fonds, Amsterdam Fonds voor de kunst und Konstnärsnämnden.
http://www.carljohanhogberg.com
Die Produktion der neuen Arbeiten von Carl Johan Högberg werden vom Mondriaan Fonds und dem AFK, Amsterdam Fonds voor de Kunst, unterstützt.
Niamh O’Malley
Foiled Glass
Niamh O’Malley, Ausstellungsansicht von Foiled Glass, Frühling 2018, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Foiled Glass beginnt mit einem Fensterbild an der Fassade des Grazer Kunstvereins. Diese Zeichen artikulieren das Interesse der Künstlerin an den formalen Qualitäten bei der Herstellung eines Bildes. Spezielle Texturen, von transparenten Trübungen bis zu undurchsichtigen Sperren und von Formen architektonischer Bögen zu gestischen Linien, kommen zusammen um den Raum um sie herum subtil zu verdunkeln, zu rahmen und neu auszurichten. Glas ist etwas, durch das wir blicken und das wir anblicken, sowohl eine Linse als auch ein Objekt. Mit der Ausstellung Foiled Glass erforscht O’Malley dieses Paradox auf verschiedene Arten und mit verschiedenen Materialien, die von der Zeichnung und Skulptur zu Video und Bewegtbild reichen.
Niamh O’Malley, Ausstellungsansicht von Nephin, als Teil von Foiled Glass, Frühling 2018, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Im Laufe der Ausstellung werden die Werke zu einer Art und Weise, den Akt des Blickens zu erforschen – dabei bezieht sich dieses Blicken auch auf den Vorgang des Verstehens, des Einfangens, des Festhaltens oder ganz einfach auf das Sehen selbst. In gewisser Weise die Rolle des Künstlers reflektierend, dient der kleine schwarze Klecks in der Videoarbeit Nephin (im Empfangsraum zu sehen) dazu, die drohende Präsenz des Berges aufzuzeigen und sichtbar zu machen, während er gleichzeitig potenzielle Deutungen der Arbeit abstrahiert und verschleiert.
Niamh O’Malley, Ausstellungsansicht von Shape, als Teil von Foiled Glass, Frühling 2018, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Niamh O’Malley, Shelf (curve), 2015, als Teil von Foiled Glass, Frühling 2018, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Niamh O’Malley, Ausstellungsansicht von Foiled Glass, Frühling 2018, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Je tiefer man in die Ausstellung eindringt, geleitet durch die Formen und Regale von Ecke zu Korridor, umso klarer wird O’Malleys Fixierung auf den Akt des Blickens oder den Versuch bestimmte Momente und Phänomene einzufangen und zu rahmen. Ihre Arbeit Shape zeichnet deutlich einen Versuch nach, Ausgeschnittenes, entgegen der natürlichen Bewegtheit und Strömung des Wassers, zu choreographieren. Andere Werke zitieren skulptural einen ähnlichen Ansatz und unterstreichen den Versuch der Künstlerin, Materialien so zu manipulieren, dass die Wahrnehmung dieser Materialien neu ausgerichtet oder in Frage gestellt wird. Voller Reflexionen, sowohl buchstäblich als auch metaphorisch gemeint, erfüllt von Abwesenheit und umrahmt von Negativraum, beschwört O’Malleys Werk beharrlich Versuche zu rahmen, zu pausieren, zu reflektieren und neu zu. interpretieren.
Niamh O’Malley, Ausstellungsansicht von Foiled Glass, Frühling 2018, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Niamh O’Malley (geb. in Mayo, Irland, 1975) verwendet Video, Zeichnung, Malerei und Skulptur, um Wege zu erforschen, wie wir uns die Welt mittels Bildern zugänglich machen können. Ihre Arbeiten agieren oft als Filter und laden uns ein, Räume zwischen Objekten und Plätzen und unseren Ideen dazu zu betreten. Einzelausstellungen inkludieren: Douglas Hyde Gallery, Dublin (2017) & (2014); Bluecoat Liverpool, (2015); eine Ausstellung an fünf Orten „The Mayo Collaborative“ Ireland (2013); „Garden“, Project Arts Centre, Dublin (2013); Ha Gamle Prestegard, Norwegen (2012); „Model“, Green on Red Gallery, Dublin, Irland (2011); „Island“, Centre Culturel Montehermoso, Vitoria-Gasteiz, Spanien (2010); „Frame, Glass, Black“, Centre Culturel Irlandais, Paris, Frankreich (2010); „Echo“, Gaain Gallery, Seoul, Korea (2010); „No Distance“, Void, Derry, Nordirland (2009). Ausgewählte Gruppenausstellungen fanden in CAG, Vancouver; Karst, Plymouth; Eli & Edy the Broad Museum, Michigan; Glucksman Gallery, Cork; eva International, Biennale of Visual Art, Limerick; Tulca Visual Arts Festival, Galway; Kilkenny Arts Festival; White Box, New York; Model, Sligo Irish Museum of Modern Art; Kunstverein Ludwigsburg, Deutschland; Maria Stenfors, London, statt. Kürzlich erschienene kritische Schriften über ihre Praxis können in Frieze, Artmonthly, ArtReview, Artforum, thisistomorrow, Enclave Review und Paper Visual Art nachgelesen werden.
http://www.niamhomalley.com
Niamh O’Malley, Tilted Glass, 2015, als Teil von Foiled Glass, Frühling 2018, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Niamh O’Malley wird vom Arts Council of Ireland unterstützt und ihre Präsentation im Grazer Kunstverein dankenswerterweise von Culture Ireland.
Triple Candie
If Michael Asher part I
Triple Candie, If Michael Asher part I, Frühling 2018, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Part I von Triple Candies Beschäftigung mit dem Grazer Kunstverein (gezeigt von 9. März – 19. Mai) besteht aus einer spekulativ aufgebauten Wand inmitten eines aktiven Ausstellungsraums und wird von der folgenden Notiz begleitet:
Der Grazer Kunstverein hat seit seiner Gründung 1986 zahlreiche Gebäude genutzt. Er zog in seinen derzeitigen Standort, dem Palais Trauttmansdorff, 2010 ein und nutzte zuerst die tonnengewölbte Hauptgalerie und eine Reihe von Räumen direct nach Osten. Die Eingangstür aus dem Innenhof führte direkt in die Hauptgalerie. Die Verwaltungsbüros waren an einem Ende, hinter einer weißen, freistehenden halbhohen Wand. 2013 fügte der Kunstverein die nach Westen anschließenden Räume hinzu. Ein Verbindungsgang wurde hinter dem Bürobereich geschlagen um die beiden Einheiten zu verbinden, die halbhohe Wand wurde entfernt und das Büro und die Eingangstüre wurden verlegt.
Wir sind darin interessiert wie diese Veränderungen der Architektur des Grazer Kunstvereins mit der Zeit in das Gedächtnis der Besucher eindringen und ihre Erlebnisse und Erwartungen beeinflussen. Wir schlagen eine Wiederherstellung der halbhohen Wand in der Hauptgalerie vor. Sie wird an ihrem ursprünglichen Ort liegen, aber wird nicht mehr das Büro verstecken oder als neutraler Teil der Architektur der Galerie existieren. Sie wird den neuen Erschließungspfad behindern und teilweise den Zugang zu einer anderen Ausstellung im selben Raum verschleiern.
Triple Candie, If Michael Asher part I, Frühling 2018, Grazer Kunstverein. Foto von Christine Winkler
Triple Candie ist eine in den USA ansässige, avant- Gardistische kuratorische Produktionsagentur, die mit Museen und zeitgenössischen Kunsträumen für Ausstellungen über Kunst zusammenarbeitet, im Allgemeinen aber von diesen unabhängig agiert. Von 2001–10 unterhielt sie eine Galerie in Harlem. Seit damals hat sie Projekte in Australien, Europa und in den Vereinigten Staaten an Orten wie Chateau Shatto, Los Angeles; Deste Foundation, Athen; Gertrude Contemporary, Melbourne; Museum of Contemporary Art Detroit; Project Arts Centre, Dublin; und im Utah Museum of Contemporary Art, Salt Lake City, präsentiert. Übersichtsaustellungen von Triple Candies Arbeit waren im FRAC Île-de-France/Le Plateau, Paris (2012) und in der Addison Gallery of American Art, Andover, Massachusetts (2017) zu sehen.
http://www.triplecandie.org
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