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Herbst im Grazer Kunstverein
19. September – 22. November 2019


Riccardo Giacconi
Options

Options war eine Ausstellung und Performance von Riccardo Giacconi für steirischer herbst ’19—Grand Hotel Abyss und die Herbstsaison des Grazer Kunstvereins.


Riccardo Giacconi, Option (Detail), 2019, in Zusammenarbeit mit Compagnia Marionettistica Carlo Colla & Figli. Foto: Clara Wildberger. Bild Courtesy steirischer herbst und Grazer Kunstverein

Als forschungsbasierter Werkkorpus orientiert sich Options an den Ereignissen zwischen 1939 und 1943, als der ursprünglich deutschsprachigen Gemeinde in Südtirol die Möglichkeit gegeben wurde, entweder ins benachbarte Nazi-Österreich (und andere Territorien im Dritten Reich) auszuwandern oder im faschistischen Italien zu bleiben und zwanghaft in die italienische Kultur des Mainstreams integriert zu werden und dabei sowohl Sprache wie kulturelles Erbe zu verlieren. Dieses nach einer Vereinbarung zwischen Mussolini und Hitler in Kraft gesetzte System wurde „Die Option“ genannt.*

Das Projekt basiert auf Forschungen in Archiv- und Propaganda-Materialien aus der Ära. Der Künstler studierte Poster, Flugblätter, Zeitungsartikel und politische Pamphlete aus und über Südtirol. Options befasst sich außerdem mit den Nachwirkungen der „Option“, darunter mit Zeitperioden, die von Spannung, Konflikt und Terrorismus zwischen Gemeinschaften in Südtirol gekennzeichnet waren, und verwendet Archivmaterial und weiträumige Forschung in situ, darunter Interviews mit HistorikerInnen, AktivistInnen, PolitikerInnen, AutorInnen und verschiedenen PraktikerInnen.

Mit dem Südtiroler Landesgebiet und der Grenze zwischen Italien und Österreich als Fallstudie hinterfragt Options Vorstellungen von Bürgerschaft, Grenzen, Identität, Sprachgemeinschaften, Heimat, Nativismus, Minorität und Migration. Die Periode der Südtiroler Option und die Zeit danach können als Paradigma dafür gelesen werden, wie solche Ideen konstruiert sind, wie sie manipuliert, instrumentalisiert und fiktionalisiert werden und wie sie durch nachfolgende Launen der Machtinstitutionen wieder für nichtig erklärt werden – und wie solche Ideen trotzdem konkrete, dramatische und unauslöschliche Konsequenzen für Menschen nach sich ziehen.

Das Projekt etabliert Resonanzen zwischen diesen Ideen – und der Art und Weise, wie sie im linguistischen und visuellen Diskurs der Periode der Südtiroler Option genutzt wurden – und dem Einsatz der gleichen Ideen in den zeitgenössischen politischen Diskursen in Europa. In diesem Sinn wird Options nicht als historische Untersuchung konfiguriert, sondern als eine Konstellation zwischen zwei Augenblicken in der Zeit – als Kommentar über den heutigen politischen Diskurs Europas durch die Linse eines vergangenen Ereignisses.

*In diesem Jahr 2019 jährt sich zum 80. Mal die Südtiroler Option, und der 10. September 2019 markiert den 100. Jahrestag des Vertrages von Saint-Germain, in dem Südtirol von Österreich getrennt und an Italien angeschlossen wurde.


Liste von Arbeiten


Riccardo Giacconi, Wappenrolle, Plastikvorhang, 220cm x 500cm, 2019. Foto von Clara Wildberger

1
Wappenrolle
Plastikvorhang, 220cm x 500cm
2019

Diese Arbeit ist eine Einführung, eine Schwelle, ein Hintergrund, eine Wappenrolle: ein Index heraldischer Symbole, die vom Künstler gesammelt und adaptiert wurden, um ein visuelles Lexikon fiktionaler Ikonen zu schaffen, die ihre Bedeutung aus der graphischen Bilderwelt und von heraldischen Traditionen nehmen. Komponiert aus einer Serie von Plastikpixeln oder Stücken, ist der Vorhang ein visueller Katalog aus 21 Wappen mit den Schildern Südtiroler Städte sowie mit Propaganda-Symbolen für die Ereignisse der Südtiroler Option. Die Arbeit wird von einem Text begleitet, der die Ausstellungsbroschüre beendet: einer „Blasonierung“, welche in heraldischer Hinsicht auf die Beschreibung eines Wappens verweist, von dem der oder die LeserIn das passende Bild rekonstruieren kann. In diesem Fall dient die „Blasonierung“ als fragmentarische Chronologie von 21 Südtiroler Ereignissen.


Riccardo Giacconi, Option, Klang- und Lichtchoreografie, 40’00”, geloopt, 2019. Foto von Clara Wildberger

2
Option
Klang- und Lichtchoreografie, Dauer 40'00", geloopt
2019

Diese Arbeit ist ein automatisiertes Schattenspiel, eine Choreografie aus Klang und Licht in Endlosschleifen. Die Audiospur besteht aus Auszügen aus Briefen, die zwischen 1939 und 1943 an und aus Südtirol geschrieben wurden. Solche Briefe wurden vor der Auslieferung geöffnet und vom faschistischen Innenminister ins Italienische übersetzt. Heutzutage werden solche Übersetzungen in den Zentralarchiven des italienischen Staates gesammelt. Riccardo Giacconi hat eine Reihe von Südtiroler Personen gebeten, die Briefe in ihre Ursprungssprache zurück zu übersetzen. Wie im Radio werden die unterschiedlichen Stimmen zu einer Dramaturgie arrangiert. Die Schatten werden durch ein Set skulpturaler Objekte geworfen, die von dem kolumbianischen Bildhauer Herlyng Ferla und von der Carlo Colla & der Figli Marionettenkompanie produziert wurden, einer der bekanntesten Puppen-Produktionen der Welt. Ihre hölzernen Formen, die zwischen tierischen und anthropomorph ischen Elementen pendeln, beziehen sich auf die Tradition des Tiroler Holzschnitzens und auf imaginäre Wesen, die die Legenden der Region heimsuchen (Krampus, Peaschtl, Perchta usw.) Die Hauptsprache des Stückes ist Deutsch.


Riccardo Giacconi, Tingierung, Serie von Postern, 100cm x 70cm, 2019. Foto von Clara Wildberger

3
Tingierung
Serie von Postern, 100cm x 70cm
2019

Diese Arbeit besteht aus einer Serie von sieben Postern, gedruckt von Litografia La Linterna in Cali, Kolumbien, mithilfe von Buchdruckmaschinen aus dem 19. Jahrhundert. Die Poster zeigen eine Reihe fiktionaler Wappen: visuelle Bildträger, die als Elemente einer potenziellen Wappenkunde präsentiert werden, die auf dem Design von faschistischen und Nazi-PropagandaMaterialien in Zusammenhang mit der Südtiroler Option basieren. Wappen und Heraldik sind visuelle Konstruktionen, die jahrhundertelang verwendet wurden, um eine Identität sowie die Zugehörigkeit zu spezifischen geografischen, sozialen, vertrauten, militärischen oder religiösen Gruppen zu markieren. In dieser Poster-Serie wird diese kodierte Sprache verwendet, um Konzepte wie Identität, Heimat und Zugehörigkeit zu hinterfragen, die in der mit der Option zusammenhängenden Propaganda und im heutigen politischen Diskurs immer wieder vorkommen. Heraldik als symbolische identitäre Sprache ist von sich aus widersprüchlich, relational und politisch. Die Poster enthalten außerdem Extrapolationen von Texten aus Propaganda-Materialien, die mit der Südtirol-Option verbunden sind. Durch einen fiktionalen heraldischen Symbolismus, der den Ton von Aufrufen an die örtliche Bevölkerung imitiert, dem aber jegliche Hinweise auf eine spezifische Ideologie fehlen, verbreiten die Poster Hinweise auf eine nicht zu verortende politische Vibration. Eines der Poster enthält ein Gedicht des Südtiroler Poeten Norbert C. Kaser (1947–1978). Der Titel für diese Poster-Serie Tingierung bedeutet ,Tinktur’ (Farbgebung) und bezieht sich auf die begrenzte Farbpalette und auf Muster, die in der Wappenkunde verwendet werden. So wurde die Farbe Orange vermieden und in der britischen HeraldikTerminologie als „stain“ (Fleck) bezeichnet.


Riccardo Giacconi, Ekphrasis, Klang-Lichtinstallation, Dauer 18’00”, geloopt, 2019. Foto von Clara Wildberger

4
Ekphrasis
Klang-Lichtinstallation, Dauer 18'00", geloopt
2019

Im Inneren eines dunklen Raums befindet sich ein Strahl sich ständig verändernden Lichtes und ein Audio-Track. Wie in einer Hypnose-Sitzung führt eine Stimme die BesucherInnen in eine Diashow ohne Bilder. Sie beschreibt eine Serie von Situationen, an denen die ZuhörerInnen teilnehmen können. Frei von jeglichen Bezügen auf Datum, Namen und Orte umreißt die Stimme ein Set von Bildern, das sich mit entscheidenden Augenblicken in der konfliktgeladenen Genealogie des Südtiroler Landesgebiets befasst. Die Hauptsprache dieser Arbeit ist Englisch.


Riccardo Giacconi, Gegenbild, Videoprojektion, Dauer18’00”, geloopt, 2019. Foto von Clara Wildberger

5
Gegenbild
Videoprojektion, Dauer 18'00", geloopt
2019

Der im hinteren Galerieraum projizierte Stummfilm ist das Gegenbild, das komplementäre Element zu Ekphrasis. Der Film besteht aus einer Serie von Fotografien aus privaten Archiven, die eine visuelle Studie über die Geschichte und Landschaft des Tiroler Territoriums bilden.


Riccardo Giacconi, Miscellanea, Ephemera, unterschiedliche Maße. Foto von Clara Wildberger

6
Miscellanea
Ephemera, unterschiedliche Maße

Eine Serie von Originaldokumenten, die freundlicherweise vom Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck an uns verliehen wurden, darunter:
• ein Propaganda-Xylographie-Poster von 1940 für Optanten des Südtiroler Künstler Heiner Gschwendt, welches die Verbundenheit mit ihrem Land und das Einlassen auf die neue Heimat feiert, zu der sie sich auf den Weg machen.
• ein Propaganda-Poster, vermutlich aus dem Jahr 1942, warnt vor Spionen in öffentlichen Räumen.
• eine dreisprachige Karte von Tirol aus dem Jahr 1960 mit Hinweisen auf linguistische Regionen.

In den gesamten Ausstellungsräumen sind weitere, mit dem Thema im Zusammenhang stehende Dokumente, Ephemera und Forschungsfragmente zu finden


Riccardo Giacconi, Merkblatt, Dokumentation der Performance, 2019. Foto von Clara Wildberger.

7
Merkblatt
Dokumentation der Performance
2019

Zusätzlich zur Ausstellung gehört zum Projekt eine performative Intervention im öffentlichen Raum in Graz als Teil des Eröffnungsprogramms von steirischer herbst ’19. Die Performance mit dem Titel Merkblatt fand am 20. September auf dem Schlossbergplatz statt und zeigte ein 13-jähriges Mädchen, das sich endlos wiederholende Sätze rufte. Das Format erinnert an die „newsboys“, junge Verkäufer von Straßenzeitungen. Zusammen mit der Südtiroler Dichterin Katja Renzler hat Riccardo Giacconi an der textuellen Dekonstruktion einer Serie von zehn „Geboten für Umsiedler“ gearbeitet, die in einer an die Südtiroler Umsiedler während der Optionsperiode verteilten Broschüre veröffentlicht wurden. Während der Performance wird der Originaltext dekonstruiert: Sätze werden progressiv umgestellt, Worte werden verändert und die Gebote lassen einen zunehmend zweideutigen, absurden, gewaltsamen Charakter erkennen.


Wappenrolle



1494 (oder 1496)
Albrecht Dürer besucht auf seinem Weg nach Italien Klausen und erstellt eine Zeichnung der Stadt, die er später für Kupfergravie rungen mit dem Titel Nemesis verwendet.



1957
Eine Massendemonstration im Schloss Sigmundskron in der Nähe von Bozen. 35 000 Menschen in Südtirol besuchen die Kundgebung von Silvius Magnago, dem neuen Obmann der Südtiroler Volkspartei (SVP), und fordern die Trennung von der italienischen Provinz Trient.



1921
Rund 400 Faschisten aus unterschiedlichen italienischen Regionen kommen zur Frühjahrsmesse nach Bozen, wo sie während der Kostümparade TeilnehmerInnen und ZuschauerInnen mit Schlägern, Pistolen und Granaten attackieren. Rund 50 SüdtirolerInnen werden verletzt. Der Schullehrer Franz Innerhofer wird erschossen, während er versucht, einen seiner Schüler zu beschützen.



1919
Während der Friedenskonferenz in Paris, die auf das Ende des Ersten Weltkriegs folgte, wird das deutschsprachige Territorium von Tirol in zwei Teile geteilt. Die Abteilung im Süden des Brennerpasses wird an Italien abgegeben.



1922
Benito Mussolini übernimmt die Macht in Italien und setzt Maßnahmen zur „Denationalisierung“ von Südtirols deutschsprechender Bevölkerung sowie auch eine Massenbesiedelung durch ethnische ItalienerInnen in der Region in Kraft.



1986
Die Terror-Organisation „Ein Tirol“ bekennt sich zu dem Bombenangriff im Lana-BurgstallBahnhof. Eine Nachricht, die mit Spray auf die Bahnhofswände geschrieben wurde, lautet: „Alexander Langer Sau Walsche“: der Südtiroler Intellektuelle Langer wird als Sau und als Walsche bezeichnet (ein abwertender Südtiroler Begriff für ItalienerInnen).



1973
Der Autor und Dichter Norbert Conrad Kaser verbringt seinen Sommer damit, in der Mautstelle in Sterzing in der Nähe der österreichischen Grenze zu arbeiten. Der Grundschullehrer, ein angehender Kapuzinermönch und Mitglied der italienischen kommunistischen Partei sowie müder Reisender, ist ein wutentbrannter Kritiker des Tiroler Konservativismus. Während einer Rede in Brixen ruft er das Publikum dazu auf, „den Tiroler Adler wie einen Gigger zu rupfen“. In einem auf Italienisch geschriebenen Gedicht, la tua terra, schreibt er: “ weißt Du, dass Dein Land Dich umbringen kann” (sai che la tua terra / ti può far morire).



1959 und 1984
Anlässlich des 150. und des 175. Jahrestages des Tiroler Befreiungskrieges von 1809 wird eine riesige Dornenkrone, ein Symbol für die schmerzhafte Teilung Tirols, von einer Gruppe Schützen in einer Parade in Inns bruck getragen. Die sogenannten Schützen waren eine 1511 gebildete Miliz zum Schutz der Grenzen in Tirol. Aufgelöst als Ergebnis der Zergliederung des ÖsterreichischUngarischen Weltreiches haben die Schützen als private Volksverbindungen sowohl in Österreich als auch in Italien überlebt.



1767
Andreas Hofer, Tiroler Volksheld und Anführer der Tiroler Rebellion 1809 gegen die napoleonische Invasion, wurde in St. Leonhard in Passeier geboren. Der Andreas-HoferBund, die einzige Südtiroler Anti-NaziWiderstandsbewegung, gebildet 1939, wird nach ihm benannt. Hans Egarter, Josef MayrNusser, Friedl Volgger und Erich Amonn, ihre wichtigsten Führungspersön lich keiten, haben fast alle einen katholischen Hintergrund und kämpfen gegen die Süd tiroler Option. Mayr-Nusser weigert sich, den Hitler-Eid vorzutragen, nachdem er als Nazi-Soldat eingezogen wurde, und wird im Konzentrationslager von Dachau zum Tode verurteilt. Er stirbt auf dem Weg ins Lager 1945.



1939
Hitler und Mussolini setzen die Südtiroler Option in Kraft: SüdtirolerInnen, die Deutsch und Ladinisch sprechen, sind verpflichtet sich zu entscheiden, ob sie sich als Italiener deklarieren – und daher ihre Sprache und Traditionen aufgeben – oder ob sie in die Territorien des Dritten Reiches umgesiedelt werden wollen. 86% der Bevölkerung optieren für die Emigration; sie werden Optanten genannt. Jene, die sich dafür entscheiden zu bleiben, werden Dableiber genannt. Bis 1943 sind nur 75 000 Optanten emigriert, davon kehrten 50 000 nach dem Krieg zurück.



1981
Im Widerstand gegen von außen auferlegte ethnische Grenzen (Deutsch, Italienisch oder Ladinisch) weigert sich Alexander Langer, bei der Volkszählung von 1981 in Bozen-Bolzano zu seiner Sprachgruppenzugehörig keitserklärung zu bekennen. Diese Entscheidung macht ihn ungeeignet für Lokalwahlen. Langer war in der italienischen radikalen, linksgerichteten politischen Organisation Lotta Continua aktiv, bevor er sich der Partei der Grünen in Südtirol anschloss und schließlich zum Präsidenten der Grünen/der EFA-Gruppe im Europäischen Parlament 1989 ernannt wurde.



1961
In der Nacht zwischen dem 11. und 12. Juni werden 37 Strommasten in Südtirol vom BAS (Befreiungs ausschuss Südtirol) in die Luft gesprengt, um weltweite Aufmerksamkeit für die „Südtiroler Frage“ zu erregen. Das Datum wird als Referenz auf den lokalen Brauch gesehen, Feuer anzuzünden (Herz-JesuFeuer), um an den Eid der TirolerInnen von 1796 zu erinnern, der dem Herz Jesu geleistet wurde. Damit baten sie um Unterstützung für ihr Land.



1978
Norbert Conrad Kaser stirbt in Bruneck an den Folgen seines Alkoholismus. Sein Begräbnis gilt heute als seltener Augenblick der Begegnung von Dissidenten und progressiven Südtiroler Intellektuellen. Alexander Langer schrieb später: „Das Schicksal von Norbert C. Kaser ist symbolisch für viele in Südtirol. [...] Es war am Begräbnis von Norbert, als ich beschloss nach Südtirol zurückzukehren, dass es keiner weiteren Toten bedurfte, dass man etwas tun musste“. Langer wird später die inter ethnische Bewegung, die Neue Linke/ Nuova Sinistra, gründen.



1961
Am Morgen des 12. Juni stirbt der Straßenarbeiter Giovanni Postal bei dem Versuch, eine Bombe zu entfernen, die auf einem Baum in der Nähe der BAS in Salorno gepflanzt wurde, in der Nähe der südlichen Grenze Südtirols. Er ist das erste Opfer der Bombenjahre.



1952
Ettore Tolomei, italienischer Irredentist und ehemaliger faschistischer Senator, wird am Friedhof von Montan begraben. Sein Grab wird als Zeichen der Verachtung immer wieder zerstört. Tolomei war der wichtigste Gestalter der faschistischen Politik zur Italianisierung Südtirols. Er erfand eine detaillierte italienische Toponymie, um deutsche Namen zu ersetzen, vor allem wurde das deutsche „Südtirol“ mit dem italienischen „Alto Adige“ übersetzt. Sein Programm beinhaltete das Verbot des Begriffes „Tirol“ (und seiner Variationen), die Auferlegung von Italienisch als die einzige Amtssprache, das Schließen deutschsprachi ger Schulen, von Presse und politischen Parteien.



1964
In einem Heuschober in der Nähe von Saltaus wird das BAS-Mitglied Luis Amplatz von Christian Kerbler im Schlaf erschossen. Kerbler war vermutlich ein Agent der italienischen Sicherheitsdienste. Das BASMitglied Georg Klotz wird ebenfalls mit zwei Schüssen verletzt, es gelingt ihm aber, über die Grenze nach Österreich zu fliehen. Kerbler wird später in absentia von einem italienischen Gericht verurteilt, wird aber nie gefasst.



1943
Italienischer Waffenstillstand mit den Alliierten. Mit der Einrichtung der Operationszone Alpenvorland wird Südtirol von den Truppen der deutschen Wehrmacht besetzt und de facto Teil des Nazi-Reichsgaus von Tirol-Vorarlberg. Anton Spechtenhauser, Bürgermeister von Graun im Vinschgau, wird dank der aktiven Hilfe der lokalen Amtsträger der Nazis in Haft genommen. Als skrupelloser Geschäfts mann, Kollaborateur des faschisti schen Regimes und Widersacher der Emigration ins Dritte Reich stirbt er im MajdanekKonzentrations lager in der Nähe von Lublin.



1946
Unterzeichnung des Pariser Abkommens durch den italienischen Premierminister Alcide De Gasperi und Österreichs Außenminister Karl Gruber als integraler Teil des Friedensvertrags zwischen den Alliierten und Italien. Das Abkommen sieht besondere Maßnahmen vor, um die ethnische Identität des Südtiroler Volkes zu bewahren.



1969
Lange Verhandlungen zwischen Italien und Österreich führen zu der Annahme des sogenannten Pakets, eines Maßnahmenkataloges für ein neues autonomes Statut in Südtirol, das von der Südtiroler Volkspartei, dem italienischen Parlament und dem österreichischen Nationalrat angenommen wurde. Seine volle Implementierung wird 1992 vervollständigt.



1995
Alexander Langer nimmt sich in der Nähe von Florenz das Leben, indem er sich an einem Marillenbaum aufhängt. Zehn Jahre vor seinem Selbstmord hatte er geschrieben: “Wo es eine latent multilinguale Berufung gibt, sollte diese mit Sorgfalt kultiviert werden. Dies beinhaltet den Wunsch zu relativieren, Unterschiede und Subtilitäten sowie Nuancen zu erkennen, die nicht unter einer Übersetzung leiden. Was umso wichtiger in einem Europa mit einer zunehmenden Zahl von Flüchtlingen ist ...“



1981
Der Südtiroler Bergsteiger Reinhold Messner sagt in einer Fernsehshow, dass er sich über den kontinuierlichen Missbrauch des HeimatMythos in Südtirol ärgert, verbrochen an „einem Volk, das die Vorstellung von Heimat mehr als jedes andere betrogen hat, als sich 1939 eine überwältigende Mehrheit für Deutschland entschied und ihr Land verlassen wollte“. Nach der darauf folgenden Kontroverse gibt Messner 1989 ein Buch mit dem Titel Die Option. 1939 stimmten 86% der Südtiroler für das Aufgeben ihrer Heimat. Warum? heraus.

Die Informationen für diese Wappenrolle wurden aus einer Fülle von Quellen vom Künstler zusammengestellt.


Das Generalkonsulat für Zeitgenössische Kunst und Architektur und Urbane Peripherien des Italienischen Ministeriums für kulturelles Erbe und kulturelle Aktivitäten unterstützt die Teilnahme von Riccardo Giacconi am Festival steirischer herbst ’19 im Rahmen des Programms des Italian Council Programms 2019.