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7. März – 23. Mai 2015

David Wojnarowicz & Robert Blanchon

„Feeling animalistic. Feeling Hyena.
Feeling Wolf. Feeling Dog. I am tongue and heart.“
(David Wojnarowicz)

Der Grazer Kunstverein setzt seine Hinterfragung des Konzeptes der sozialen Abstraktion fort und präsentiert die Arbeit zweier außergewöhnlicher amerikanischer Künstler, die beide in den Vereinigten Staaten Kultstatus erlangt haben, gleichzeitig aber in Europa bisher kaum wirklich anerkannt sind. In ihren Praktiken erforschen und untersuchen sie jeweils die persönliche und körperliche Beziehung zu ihrer Umwelt. 

Die Arbeiten von David Wojnarowicz und Robert Blanchon reflektieren die Vereinigten Staaten in den 1980er- und während der 1990er-Jahre, als schwule und queere Agenden massiv unterdrückt und mit wachsendem Vorkommen des AIDS/HIV Virus in Frage gestellt wurden. Der poetische, gleichzeitig aber sehr direkte Ansatz der beiden AIDS-AktivistInnen repräsentiert eine Ära, die heute aufgrund der neoliberalen Ideologien, die unserer Wahrnehmung der Gesellschaft aufgezwungen werden, wieder an Bedeutung gewinnt.

david wojnarowicz
David Wojnarowicz
„Arthur Rimbaud in New York“, 1978–79

aus einer Serie von 24 Silbergelatin-Drucken
8 x 10 inch jeder

Courtesy of the Estate of David Wojnarowicz and P.P.O.W Gallery, New York

David Wojnarowicz (1954–1992) war ein Maler, Fotograf, Autor, Filmemacher, Performance-Künstler und Aktivist, der in New York City in der Kunstszene der 1980er-Jahre eine wichtige Rolle spielte. Viele Arbeiten von Wojnarowicz thematisieren die Erfahrungen von Außenseitern, die auch seiner eigenen Geschichte entnommen sind. Gegen Ende der 1970er-Jahre fing er, so meint er selbst, damit an, „Ideen davon zu entwickeln, wie eine authentische Version von Geschichte in Form von Bildern/Schriften/Objekten erstellt und bewahrt werden kann, die vom Staat unterstützte Formen der ,Geschichte‘ widerlegt.“

Als Mitglied der ersten Welle der KünstlerInnen aus dem East Village begann Wojnarowicz damit, seine Arbeit in den frühen 1980er-Jahren in solch inzwischen legendären Veranstaltungsräumen wie dem Civilian Warfare, Club 57, Gracie Mansion, Fashion Moda sowie der Limbo Lounge zu zeigen. Durch seine Teilnahme an der Whitney Bienniale von 1985 wurde er bekannt und präsentierte seine Arbeit bald in zahlreichen Ausstellungen in Museen und Galerien in den gesamten Vereinigten Staaten, in Europa und in Lateinamerika. In den späten 1980er-Jahren, nach seiner AIDS-Diagnose, wurde Wojnarowicz’ Kunst zunehmend politisch, und so war er rasch in hoch politische Debatten über medizinische Forschung und Förderungen, über Moralität und Zensur in der Kunst und über Rechtsansprüche von KünstlerInnen verwickelt.

Wojnarowicz’ urbane Erfahrung in New York, von seinem jugendlichen Dasein als Stricher am Times Square bis zu seinem Erwachsenenleben als Herumwandernder in aufgelassenen Warenhäusern an den Piers des Hudson widerspricht dem Begriff des Urbanen als dem A und O der queeren Community und des queeren Stiles. Die amerikanische Theoretikerin Kath Weston meint, das Urbane sei im Gegensatz zum Ländlichen als Ort von Gewalt und Bedrohungen für queere oder schwule Subjekte konstruiert worden. Sie sagt, „Von Anfang an war die schwule Bilderwelt in ähnlicher Weise verräumlicht wie die Nation territorialisiert ist. Das Ergebnis ist eine sexuelle Geografie, bei der die Stadt den Inbegriff von Toleranz und schwuler Gemeinschaft darstellt, das Land aber zu einem Schauplatz von Verfolgung und der Abwesenheit von Schwulsein wird.“

robert blanchon
Robert Blanchon
„Self-Portrait with Tattoo“, 1993 
Cibachrome print, 28 x 35 cm
Courtesy The Estate of Robert Blanchon

Robert Blanchon (1965–1999) war ein amerikanischer Künstler, der in Foxboro, Massachusetts, geboren wurde. Seine konzeptuellen Kunstwerke befassten sich häufig mit Geschichten der amerikanischen Konzeptkunst, mit AIDS-Politiken und mit Darstellungen queerer Sexualität. Blanchon besuchte von 1984 bis 1989 die School of the Art Institute of Chicago und schloss das Studium mit einem BFA und einem MFA ab. Während seines Aufenthaltes in Chicago war Blanchon in der Non-profit Kunstszene aktiv und kuratierte Ausstellungen in der N.A.M.E. Galerie. So trug er zu dem Kunstprojekt Anonymous Museum von u.a. Tony Tasset bei und gestaltete ein Poster für die Plakat-Kampagne Art Against AIDS: On the Road, organisiert von der City of Chicago.

Von 1989 bis 1994 lebte Blanchon in New York City und arbeitete in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit des New Museum of Contemporary Art, während er seine fotografischen, skulpturalen, Performance- und Videoarbeiten produzierte. In seinem Atelier in der Canal Street fertigte er viele seiner frühen fotografischen Serien an, darunter auch jene der „Stains“ (Verschmutzungen), Tattoos und Grußkarten. In dieser Periode kreierte Blanchon außerdem zwei seiner am besten bekannten und am häufigsten ausgestellten Kunstwerke, nämlich „Untitled (self-portrait)“ (1991) – eine Serie aus vierzehn Selbstporträts, die von StraßenkünstlerInnen in Auftrag gegeben wurden – sowie „Protection“ (1992), ein Brief des Künstlers an seine Mutter, in dem er ihr mitteilte, dass er HIV-positiv war, gegenübergestellt mit ihrer zwölfseitigen Antwort.

Einzelausstellungen des Künstlers waren in New York City 1994 im Artists Space und 1995 in der Galerie White Columns zu sehen. 1995 zog er als Artist-in-Residence nach California an die University of California, Irvine. Während seines Aufenthaltes dort produzierte er das Video „let’s just kiss + say goodbye“ (1995), das bei nationalen und internationalen Filmfestivals gezeigt wurde. Zwei Solo-Präsentationen im Los Angeles Center for Photographic Studies 1996 und in der Marc Foxx Gallery im folgenden Jahr veranschaulichten seine Arbeit.

Im Frühling 1998 zog Blanchon zurück nach Chicago und übernahm die Funktion des Artist-in-Residence an der School of the Art Institute of Chicago. Im Herbst des gleichen Jahres fungierte er außerdem als Artist-in-Residence an der University of North Carolina in Chapel Hill. Gegen Ende des Sommers wurde Blanchon jedoch wegen durch AIDS verursachte Komplikationen ins Krankenhaus eingeliefert, wo er am 3. Oktober 1999 im Alter von 33 Jahren starb.

Diese einzigartige Ausstellung, die in enger Zusammenarbeit mit der NYU Fales Library, New York, entstand, fokussiert Fotografie, Videos und Filme aus der Praxis der beiden Künstler.


The Members Library* präsentiert

Alexander Apóstol, Heman Chong, Jasper Coppes, Agnieszka Kurant

Zum ersten Mal versammelt The Members Library Arbeiten mehrerer KünstlerInnen. Teilweise handelt sich dabei um Auftragswerke, teilweise um schon vorhandene Arbeiten, denen ein Interesse an Distribution gemeinsam ist und die aus allem Kapital schlagen, was unter den Begriff „Fiktion“ fällt.

Alexander Apóstol
„Avenida Libertador“, 2006

In Avenida Libertador, Alexander Apóstols (geb. 1969, Venezuela) düsterem Schwarz-weiß-Video, flirten Transsexuelle miteinander und präsentieren sich der Kamera als gut bekannte KünstlerInnen aus Venezuala („Ich bin Jesus Soto“, „Ich bin Cruz Diez“, „Ich bin Gego“), während sie an der Liberator Avenue in Caracas stehen. Gebaut in den 1950er-Jahren, galt die Mega-Avenue als Symbol für den Fortschrittsglauben, der die Nation damals erfasste. In einem heutzutage zunehmend ideologisch polarisierten Land bildet die Avenida Libertador nicht nur die Grenze zwischen dem Osten und Westen der Stadt, sondern trennt auch zwei politisch oppositionelle Stadtverwaltungen. Um ihr Territorium einzugrenzen, hat jede Stadtverwaltung gegenüberliegende Wände der Avenue für sich in Anspruch genommen und diese mit Wandbildern zweier unterschiedlicher künstlerischer Traditionen ausgestaltet: mit Bildern aus der Tradition der Landschaftsmalerei um die Wende des 19. Jahrhunderts und mit Werken der konstruktivistischen Bewegung (die in den 1970-er Jahren ihre Blütezeit erreichte). Im Video übernehmen die Transsexuellen auf der Avenue die Rollen offizieller bildender KünstlerInnen einer jeden Fraktion und parodieren die Nutzung von Kunst durch politische Klassen als politische Propaganda.


Heman Chong
„Monument to the people we’ve conveniently forgotten (I hate you)“, 2008

Diese skulpturale Installation von Heman Chong (geb. 1977, Malaysia) befasst sich vornehmlich mit einem einzelnen Gebrauchsobjekt – einer Visitenkarte –, die eine Million Mal multipliziert wurde. Sie hat die Größe 9 x 5,5 cm und besteht aus einem doppelseitigen, massiv schwarzen Offsetdruck auf Papier mit 260 g/m2. Die Visitenkarten verteilen sich und bedecken einen vorhandenen Galerieboden als Understatement eines Boden-Monumentes. Bei dieser Installation wird das Schwarz weniger als Farbe gesehen, sondern wird von einer Million unterschiedlicher schwarzer Objekte definiert. Ausgebreitet auf dem Boden in geschichteten Haufen lassen die Visitenkarten eine unerträgliche Taktilität und flüchtige Instabilität entstehen und erinnern an Vorstellungen gebrochener Versprechen und an die fruchtlose Intimität persönlicher Beziehungen.


Jasper Coppes

„Enclosure“, 2015

Mit subtilen, manchmal verborgenen Interventionen in unsere Realität erkundet Jasper Coppes (geb. 1983, Niederlande) die Art und Weise, wie wir mit Objekten und Räumen in Beziehung stehen. Dabei simuliert er kulturelles Erbe oder lässt architektonische Konstruktionen mit ausgewählten Umgebungen verschmelzen. Coppes geht bei seiner Arbeit davon aus, dass – wenn unsere gewohnten Wissensformen abnehmen – es möglich wird, eine Bewegung hin zur Ungewissheit der Gegenwart wiederherzustellen. Denn dank unserer Fähigkeit, das Gewöhnliche oder die Normalität zu vergessen, besteht für uns die Möglichheit, die Gegenwart dessen zu erfahren, was es nicht gibt, nicht länger gibt, oder noch nicht gibt.

Für den Grazer Kunstverein „webte“ Coppes eine Geschichte in drei Publikationen (Peter Handkes Die Wiederholung, Oscar Wildes Ernst sein ist alles oder Bunbury, und Alberto Manguel/Gianni Guadalupis Von Atlantis bis Utopia I–III), die von den Mitgliedern für die Members Library vorgeschlagen wurden. Coppes kreiiert so einen plötzlichen Bruch in ein Narrativ und lässt beim Leser oder bei der Leserin Verwirrung entstehen.


Agnieszka Kurant
„The Phantom Library“, 2011

agnieszka kurant
Agnieszka Kurant
„The Phantom Library“, 2011
152 Bücher, Variable Größen
Courtesy die Künstlerin und Tanya Bonakdar Gallery, New York

„The Phantom Library“ (seit 2011) ist ein fortlaufendes Projekt, das aus der Produktion einer Bibliothek fiktionaler Bücher besteht, die in bereits existierenden Publikationen von Autoren wie Philip K. Dick, Stanislaw Lem, Jorge Luis Borges, Vladimir Nabokov, Roberto Bolano erwähnt wurden. Kurant besorgt sich ISBN-Nummern und Strichcodes, verleiht den erfundenen Büchern tatsächliche wirtschaftliche Identitäten und lässt dann auch eine real physisches Exemplar davon anfertigen. Druckprozesse, die in der Regel Tausende von Exemplaren hervorbringen, stellen in diesem Fall nur eine Kopie eines jeden Buches her, wodurch eine Serie „multipler Unikate“ entsteht. So nimmt die „Phantom Library“ die hybriden Funktionsmodi der Zukunft vorweg und oszilliert dabei mit industriell erzeugten, einzigarten Objekten zwischen Massenproduktion und Individualität. In diesem Prozess ist jedes Buch das Ergebnis einer Verhandlung zwischen Nano-Faktoren oder wurde von einem Algorithmus verändert. Auf der Rückseite eines jeden Exemplars befindet sich eine Zusammenfassung der Handlung und/oder die gesamte beschreibende, vom Originalautor zur Verfügung gestellte Information über die fiktionale Publikation. In Zusammenarbeit mit der Designerin und Künstlerin Kasia Korczak entstand die Typografie für einen unbekannten Inhalt: Unterschiedliche Computeralgorithmen veränderten und verzerrten die drei Schriftarten auf dem Cover, um so eine unendliche Menge neuer Schriftarten zu kreieren, die von reinen Abstraktionen zu lesbaren Formen reichen. Mehrere Bücher in der „The Phantom Library“ wurden anschließend tatsächlich in Auftrag gegeben. Sobald diese von den eingeladenen AutorInnen geschrieben und publiziert sind, werden sie nach und nach die leeren Seiten der Exemplare in der Bibliothek ersetzen. „Phantom Library“ bezieht sich auf die rein imaginäre Produktion von Wert im Finanzkapitalismus („Phantomkapital“) und darauf, dass Spekulation sowohl in der Kunst- wie in der Finanzwelt zu einem Produktionsmodus wird.

*The Members Library wurde von der Künstlerin Céline Condorelli (geb. 1974, Frankeich) in Zusammenarbeit mit Harry Thaler als Dauerausstellung mit dem Titel „Things That Go Without Saying“ konstruiert und entworfen. Die für die The Members Library gebaute Struktur ist Teil einer Serie mit dem Titel „Additionals“. Diese verschiedenen, requisitenartigen Objekte sind scheinbar funktionale Elemente und zwischen Möbeln und Architektur einzuordnen.


Ständig ausgestellt

Ian Wilson 
1. Februar 2013 –

Die Arbeit des Künstlers Ian Wilson (geb. 1940, Südafrika) weist eine auffällige Ähnlichkeit mit dem Selbstverständnis des Kunstvereins auf: Er will die Beziehung zwischen dem Gesehenen – oder Diskutierten – und der BetrachterIn erkunden und die Dringlichkeit dieser Interaktionen aufzeigen.

Wilson beschäftigt sich seit 1968 eingehend mit gesprochener Sprache als Kunstform. Er beschrieb seine Arbeiten als „mündliche Kommunikation“ und später als „Diskussion“. Auf Wilsons eigenen Wunsch wurde seine Arbeit nie gefilmt oder anders festgehalten, was die vergängliche Natur des gesprochenen Wortes bewahrte. Wilsons frühe künstlerische Explorationen fanden in völlig monochromen Umgebungen statt. Er war absorbiert von Fragen, die sich mit der Wahrnehmung und dem Gemälde beschäftigen. Die Arbeiten sind stark von den Innovationen der Minimal Art der späten 1950er- und 1960er-Jahre beeinflusst, mit ihrer Destillation der Malerei auf ungegenständliche Selbstreflexivität und ihrer Reduktion der Skulptur auf das reine Gerüst der industriell gefertigten, geometrischen Form ohne bestimmbaren metaphorischen Inhalt.

Wilsons letzte physische Objekte „Circle on the Floor“ und „Circle on the Wall“ entstanden zu Beginn des Jahres 1968. Bei der Produktion dieser Werke erkannte er, dass es zur Visualisierung eines Konzeptes nicht notwendig war, ein Objekt zu schaffen.

Um seine Bedeutung für das Programm zu unterstreichen, hat der Grazer Kunstverein dem Werk des Künstlers eine fortlaufende Einzelausstellung gewidmet. Die Präsentation zeigt unterschiedliche Werke aus verschiedenen Jahren, genauso wie auch die Dauerausstellung des beauftragten und erworbenen Werkes „Discussion“. Diese Diskussion über das reine Bewusstsein des Absoluten fand im Grazer Kunstverein am 4. Mai zwischen dem Künstler, dem damaligen Team und früheren DirektorInnen des Grazer Kunstvereins seit 1986 statt.

Ausgestellt 
„Discussion (Grazer Kunstverein)“, 2013
Schenkung von Stefan Stolitzka für die Sammlung des Grazer Kunstvereins.


The Peacock 
1. Februar 2013 –

Der Grazer Kunstverein setzt seine Untersuchung über sein Interieur fort, indem er (neue) Möbelstücke sowie Design, angewandte und dekorative Künste präsentiert, die ihre eigene Funktionalität analysieren. „The Peacock“, wie diese Nonstop- Gruppenausstellung betitelt ist, wird von der Vorstellung eines Period Rooms inspiriert, der einen Augenblick in der Zeit definiert, wie auch vom Tier, dem Pfau, selbst (engl. „peacock“), der inneren und nach außen getragenen Stolz repräsentiert. Eine Gruppe von KünstlerInnen wird eingeladen, Arbeiten beizutragen, welche den genutzten Raum des Grazer Kunstvereins mit Designstücken und konzeptuellen Interventionen weiterentwickeln. (Teile dieser) Arbeiten werden noch einmal neu in Erscheinung treten und in kommenden Einzelausstellungen mit anderen in einen Dialog gestellt. Auf diese Weise bilden sie Rückgrat und Interieur des Kunstvereins.

Ausgestellt
7. März – 23. Mai 2015

Dexter Sinister
„Tinctures“, 2010

Dexter Sinister ist ein Designer-Herausgeber-Verlegerduo, das 2006 von Stuart Bailey und David Reinfurt gegründet wurde. Ihre Aktivitäten, zu denen ein Workshop sowie ein Buchgeschäft in New York gehören, erkunden die Möglichkeiten des Publizierens sowohl in gedruckter wie digitaler Form – häufig in Beziehung zur Kunstproduktion. Viele von ihren Projekten sind ortsspezifisch und zeit-sensitiv und umfassen Publikationen und Events, die live in den Galerien über vorgegebene Zeitperioden produziert werden. So fertigten sie 2011 Teppichfliesen, die auf „Tinkturen“ basierten.

Tinkturen sind jene Farben, die zur Verzierung eines Wappens in der Heraldik verwendet werden. Spezifische Designs mussten häufig allein mit schwarz-weißen Zeichnungen kommuniziert werden. In Ermangelung einer tatsächlichen Farbdarstellung wurde ein kodiertes System von Linienschraffuren entwickelt, was eine Tinktur auf einfache Weise von der anderen unterscheidbar machte. Jede Tinktur hat einen eigenen, entsprechenden Wappennamen. Die von Dexter Sinister produzierten Teppichfliesen werden in den Galerieräumen verteilt.

Courtesy der Künstler.


Josh Faught
„Five O’clock Shadow“, 2009
„Dale, Tony, Bob, and Henry“, 2015

Josh Faught (geb. 1979, Vereinigte Staaten) widmet sich in seiner Arbeit lustvoll der vorstädtisch-spießigen, von Panik erfüllten Lebenseinstellung, die von einer hysterischen Kultur der Selbsthilfe, dem Zwang zur Staffage und zu doku-dramatischer Tragödie durchsetzt ist. Er verwendet dabei Elemente von Textilien, Collage, Skulptur und Malerei, um so zwischen einem Raum zu triangulieren, der textile, soziale/politische und persönliche Geschichten verhandelt. Diese mythologisierten Rekonfigurationen reagieren auf kontinuierliche Interessen rund um die Möglichkeiten im Narrativ zwischen Objekt, Ausschmückung, sexuellem Unterschied, Begierde und dem Ort häuslicher Dysfunktion. Dies wird besonders in der Arbeit Five O’clock Shadow deutlich – hier bringt der Künstler Agatha Christie, Sylvia Plath und eine gestrickte Uhr zusammen, die 5.00 Uhr zeigt.

Für den Eingang des Grazer Kunstvereins entwickelte Faught eine Bronzeplakette mit den Namen Dale, Tony, Boy, and Henry. Die Arbeit begann als Frage. Was kann es bedeuten, den häufig vorkommenden Eigennamen eines Amerikaners zu nennen? Wie könnte diese einfache Form der Aufforderung als ein Weg dienen, jemanden oder etwas sichtbar zu machen, und inwiefern existiert diese Arbeit als körperliches Surrogat? „Dale, Tony, Boy, and Henry“ existieren zusammen mit einer ganzen Reihe „benannter“ Arbeit und basieren auf dem Interesse des Künstlers an queerem Archivmaterial. In diesen Archiven finden sich immer wieder nebeneinander aufscheinende Männernamen, die gleichzeitig ein Mittel sind, Begehren in Form von „Tricklisten“ zu erzeugen sowie eine Form des Gedenkens ähnlich dem NAMES-Projekt (AIDS Memorial Quilt) darstellen. Oder sie sollen einfach auf die einzigartige Weise, in der schwule Männer Intimität erzeugen und untereinander eine Verbindung herstellen, unterstützend wirken.

Courtesy des Künstlers, des Grazer Kunstvereins und der Galerie Lisa Cooley, New York


Felix Gonzalez-Torres
„Untitled (Chemo)“, 1991

Geboren in Kuba siedelte sich der amerikanische Künstler Gonzalez-Torres (1957–1996) in den späten 1970er-Jahren in New York an. Er nahm am Kunstkollektiv Group Material in den 1980er-Jahren teil und war ein engagierter Sozialaktivist. In relativ kurzer Zeit entwickelte er einen profund einflussreichen Werkkorpus, der gegenüber Konzeptkunst und Minimalismus eine kritische Position einnimmt. Darin mischt der Künstler politische Kritik, emotionalen Affekt und tiefgehende formale Belange in einer großen Bandbreite von Medien, darunter Zeichnungen, Skulptur und öffentlichen Werbetafeln. Oft verwendet er gewöhnliche Objekte als Ausgangspunkt – Uhren, Spiegel oder Lichtinstallationen. Eine Erscheinungsform von “Untitled“ (Chemo) besteht aus Strängen weißer, transparenter und metallischer Perlen, die als Übergang zwischen zwei Räumen gezeigt werden und so das Gefühl von Transzendenz erzeugen. Die Perlen können festliche Assoziationen haben und auch so verstanden werden, dass sie vor Krankheit und Leiden warnen. Wie bei so vielen von Gonzalez-Torres Kunstwerken war es dem Künstler konzeptuell wichtig, dass die Bedeutung der Arbeit so offen wie möglich bleibt und dass sich mit der Zeit verschiedene Assoziationen um “Untitled“ (Chemo) entwickeln können. 

On loan from GLENSTONE

©The Felix Gonzalez-Torres Foundation
Courtesy of Andrea Rosen Gallery, New York


Karl Larsson*
„Washing Rimbaud’s heart“, 2014

karl larsson
Karl Larsson
„Washing Rimbaud’s heart“, 2014 
Steine und Metall, 291 x 401 x 13 cm
Courtesy der Künstler und Galerie Nordenhake AB

Karl Larsson (geb. 1977, Schweden) ist ein Künstler, Dichter und Herausgeber. Diese unterschiedlichen Positionen führte Larsson in eine künstlerische Praxis zusammen, die sich sowohl als editierend wie literarisch beschreiben lässt, sich aber vom „Schreiben“ im konventionellen Sinn unterscheidet, da sie sich auf räumliche Erfahrung und Verkörperung konzentriert.

„Washing Rimbaud’s heart“ nimmt das Porträt des französischen Dichters Arthur Rimbaud als Ausgangspunkt. Zu den wenigen von Rimbaud angefertigten Porträts (post mortem) gehört eine Bronze-Büste, die sich in seiner Heimatstadt Charleville in den Ardennen befindet. Mit der Büste als Modell schuf Larsson ein großes Profil-Porträt von Rimbaud aus Kupfer und Strandsteinen. Diese Gegenüberstellung von Material und Worten (Kupfer, Stein, Wasser, Strand) wird zu einem metaphorischen Verständnis des Denkens und Schreibens.

*Neuzugang


Nicolás Paris
„Portable Garden“, 2009–2013

Von einem architektonischen Hintergrund stammend greift Nicolás Paris (geb. 1977, Kolumbien) häufig auf pädagogische Strategien zurück, um Elemente der Zusammenarbeit, des Dialogs und des Austausches in seine Arbeit zu integrieren. Um Ereignisse und Orte zu entwickeln, die den Austausch von Reflexionen ermutigen, basiert Paris’ Arbeit auf dem Konzept, zwischen dem Aufbau dialogischer Environments und dem oder der BetrachterIn, dem Ausstellungsraum und den Institutionen zu vermitteln.

Paris’ „Portable Garden“ besteht aus einem grünen Buntstift, auf dem der Werktitel eingraviert ist. Mit dem Stift verzeichnet das Personal des Kunstvereins die Besucheranzahl während der Ausstellung.

Courtesy des Künstlers und der Galeria Luisa Strina, São Paulo


Will Stuart
„On the positioning of a replica of Michelangelo Pistoletto’s Struttura per parlare in piedi. (Structure for talking while standing) 1965–66, from the series Oggetti in meno (Minus objects), reproduction“, 2012

An ausverhandelten Positionen präsentieren Will Stuart (Will Holder und Stuart Bailey) eine Nachbildung von Struttura per parlare in piedi, einer Arbeit von Michelangelo Pistoletto (geb. 1933, Italien), die zu seiner Serie von „Minus-Objekten“ gehört.

Die Arbeit wird von einer Bekanntmachung begleitet, welche die ursprünglichen Intentionen hinter der Arbeit wie auch die Frage untersucht, wie folgende Verhandlungen mit den verschiedenen Beteiligten den zweideutigen Zweck der Arbeit als Möbelstück (an das sich die Öffentlichkeit anlehnen kann) und Metapher (für Konversationspolitiken) reflektieren. Das Objekt ist ständiges Thema der Auseinandersetzung bei der Beschäftigung mit Raum und Funktion innerhalb des diskursiven Programms.

Michelangelo Pistolettos Werk wurde bereits 1988 im Grazer Kunstverein ausgestellt.

Courtesy die Künstler


Barbara Visser
„Vereinvögel/ Societybirds“, 2014 –

Die Räumlichkeiten des Grazer Kunstvereins sind ziemlich wörtlich transparent, denn die Fassade des Galerieraumes ist vollständig mit Fenstern bedeckt. BesucherInnen und PassantInnen spähen immer wieder ins Innere, um einen Blick auf die Ausstellungen oder Events zu erhaschen. Die holländische Künstlerin Barbara Visser (geb. 1966, Niederlande) erkundet diese Spannung zwischen Öffentlich und Privat in einer semi-permanenten Auftragsarbeit, die die gesamte Fassade des Kunstvereins einnimmt. Die Arbeit der Künstlerin befasst sich mit der unbestimmten Beziehung zwischen Aufzeichnung und Dramatisierung. Viele ihrer Arbeiten behandeln die Vorstellungen von Original und Kopie und werfen die Frage auf, ob diese Kopien „sich gut verhalten“ und dem Original gerecht werden, oder ob sie betrügerische Zeichen sind, welche das Original in einem Strudel der Täuschung verschlingen. Formal variiert die Arbeit sehr und rangiert von Fotografie, Film und Video zu gedruckten Materialien, zu Text und Performance, bleibt dabei aber immer wiederkehrenden Themen wie Authentizität und Künstlichkeit, Wahrnehmung und kulturelle Kodierung, Konvention und Ausnahme, Reproduktion und Dokumentation verhaftet. Indem bestehende Systeme auf verschiedene Weisen infiltriert und reflektiert werden, fordert die Künstlerin die Betrachtenden heraus, tief verwurzelte Wahrnehmungsgewohnheiten neu zu überdenken.

Courtesy die Künstlerin und Grazer Kunstverein


Robert Wilhite
„Small Black Chair“, 1984

Die Methode von Robert Wilhite (geb. 1946, Vereinigte Staaten) ist gekennzeichnet von einem andauernden Kampf zwischen Zufall und Berechnung, dem Konzeptuellen und dem Dinglichen. Seine Arbeit weist die Bereitschaft auf, sich frei zwischen Medien und Disziplinen zu bewegen, von Skulptur über Performance bis zum Besteckdesign. In den späten 1970ern arbeitete Wilhite mit dem französischen Künstler Guy de Cointet an vier Theaterstücken zusammen, für die er Ausstattung und Bühnenbild herstellte. Der kleine schwarze Stuhl ist die Nachbildung eines der in den Stücken benutzten Requisiten und wird reproduziert, wenn es das Programm des Grazer Kunstvereins erforderlich macht.


Courtesy der Künstler